Jasmin Ramadan Einfach gesagt: Hier ist es schön sauber und gemütlich
Männer sollten riechen wie Männer und Frauen wie Frauen“, sagt auf dem Jungfernstieg eine junge Frau zur anderen und riecht erneut an dem Pappstreifen.
„Ich weiß, was du meinst, Unisex-Parfum hat irgendwie ’ne zu ernste Ausstrahlung.“
„Ja, aber Mara benutzt neuerdings sogar Männerparfüm, weil sie meint, dann bekommt sie automatisch mehr Respekt.“
„Als müsste ich wie Holz und Leder riechen, damit man mich respektiert. Nee, ey. Außerdem will ich, dass Typen auf mich stehen, nicht ’n Konkurrenzding mit mir.“
„Mara sagt, das ist angelernt, was männlich riecht und was weiblich!“
„So anerzogen oder was?“
„Ja, aber das ist doch Bullshit. Ich glaub’,das ist so ein Naturding in uns, ich bin eben innerlich süß und blumig, da denk’ich so, ja, das ist schön, das bin ich, wenn ich das riech’.“
„Mara ist ja auch ganz schön laut und dominant.“
„Ja, und neulich meinte sie, das Gehirn hat kein Geschlecht und das wär’der Beweis für alles.“
„Wie jetzt? Hä? Ist doch voll klar, wie soll das Gehirn auch ’ne Muschi oder ’nen Schwanz haben, wie soll das gehen?“
„Ey, genau das hab ich auch gesagt und da meinte sie, ich soll mal um die Ecke denken.“
„Um welche Ecke denn?“
„Vielleicht ist sie lesbisch oder so.“
„Nee, dafür hat sie zu viele Typen am Start.“
„Stimmt, sie ist voll die Schlampe, hurt rum, wie so’n Typ.“
„Ja, und neulich hat sie die Pille-Danach genommen, weil das Kondom gerissen ist. Soll sie mal besser die richtige Pille davor nehmen, bei dem Lifestyle!“
„Hm … ich find ja, die Pille ist ein Eingriff in den Körper. Und meiner Meinung nach muss eine Frau einmal im Monat bluten.“
„Nee, ey, warum denn das?“
„Weil das natürlich ist, da muss was raus! Das ist ein Reinigungsprozess, das ist voll schön, haben Männer nicht!“
„Aber wenn man die Pille nimmt, blutet man doch auch in der Pause.“
„Ja, aber das ist dann irgendwie anders und voll wenig, da wird der ganze weibliche Prozess verarscht, das kann doch nicht gut für die Psyche sein.“
„Aber wenn man die Pille nicht nimmt, baut man doch irgendwann mal Scheiß, und was dann? Abtreibung, oder was? Das ist richtig ungeil für die Psyche!“
„Kondome reißen ja eigentlich nicht, wenn man es nicht zu wild treibt, da ist man dann auch gleich vor allem geschützt. Hier, voll krass, die Cousine von ’ner Freundin von ’ner Freundin hat sich neulich mit Syphilis angesteckt.“
„Auf Weltreise oder was?“
„Nee, in Berlin, die hatte da morgens voll breit noch so’n Typen nach dem Feiern am Currywurststand kennengelernt.“
„Iiiih, Berlin ist eh voll eklig, versteh’ich nicht, was da alle wollen, hier in Hamburg ist es schön sauber und gemütlich.“
„Ja, in Berlin lässt man sich bumsen und in Hamburg lässt man sich heiraten.“
„Ich heirate aus dem Stand, wenn mich einer fragt, der ’ne Karriere hat, über einsachtzig und nicht eklig ist. Dann hab ich meine Ruhe und bin einfach nur noch Frau und dann: Tschüssikowski, Pille und Kondome, und: Hallo, Baby. Und dann ist Ruhe in der Altbauwohnung mit zwei Balkonen.“
„Im Ernst jetzt?“
„Ja, wieso denn nicht? Ich war schon immer ’ne kleine Rebellin.“
Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr letzter Roman „Hotel Jasmin“ ist im Tropen/Klett-Cotta Verlag erschienen. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.
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