: Ein Großer mit Mietschulden
In Berlin sind derzeit zwei Ausstellungen zu sehen, die Artur („Atze“) Brauner so zeigen, wie er sich am liebsten sieht: Einmal ist es ein großes Foto in der Werkschau der Fotografin Herlinde Koelbl im Martin-Gropius-Bau. Brauner ist dort als einer der jüdischen Geistesgrößen zu sehen, die Koelbl fotografiert und interviewt hat. Zum anderen findet sich ein Foto von ihm in einer kleinen Schau im und zum Jüdischen Gemeindezentrum nahe des Ku’damms. Gezeigt wird Brauner als Ehrengast der Gemeinde bei einem Ball in eben diesem Fünfzigerjahre-Bau.
In dem Konflikt, der sich nun zwischen der Jüdischen Gemeinde der Hauptstadt und dem Filmproduzenten entwickelt hat, kommt alles vor, was die Fotos zeigen: die jüdische Identität Brauners, sein Verhältnis zur Gemeinde, die Fünfzigerjahre und Immobilien, um die es auch geht. Die Jüdische Gemeinde zu Berlin fordert von Brauner etwa 13.000 Euro, die nach ihrer Aussage Mietschulden sind. Sie beantragte daher eine Zwangsvollstreckung gegen den 91-Jährigen. Die Justiz hat gegen Brauner wegen der Zwangsvollstreckung einen Haftbefehl erarbeitet. Brauner fechtet ihn an. Er bestreitet, Mietschulden bei der Gemeinde zu haben. Als öffentliche Körperschaft, so betont die Gemeinde, sei sie verpflichtet, die säumigen Beträge einzutreiben.
Dass die Angelegenheit zwischen Brauner und seiner Gemeinde so eskalieren konnte, ist erstaunlich. Denn das ist so, als zerre man den eigenen Opa wegen des Raubs von Familienfotos vor Gericht. Der Holocaust-Überlebende Brauner ist eine Ikone in der kleinen jüdischen Gemeinschaft der Bundesrepublik. Er versinnbildlicht den Wiederaufstieg des Judentums in Deutschland nach dem Krieg wie kein anderer. Geboren im polnischen Lodz, überlebte er den Holocaust mit seinen Eltern versteckt in den Wäldern. Nach dem Krieg drehte er rund 200 unsägliche Heile-Welt-Filmchen. Zugleich aber verwirklichte er fast zwei Dutzend Filme zum Holocaust, die meist aus guten und schlechten Gründen bei Publikum und Kritik durchfielen – und finanziell ein Desaster waren. Dennoch: Auch wegen Immobiliengeschäften wurde Brauner nach dem Krieg reich. Das Manager-Magazin taxierte sein Vermögen vor ein paar Jahren auf 750 Millionen Euro. Dass ihm sein guter Ruf nicht 13.000 Euro wert ist, ist da ein Rätsel. PHILIPP GESSLER