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Klamme Bewerberin

Hannover will 2025 Kulturhauptstadt Europas werden. Die Bewerbung ist aufwendig und teuer. Nun beklagt der eigens dafür gegründete Kulturrat, dass das vorgesehene Budget zu gering sei. Die Stadt verweist auf leere Kassen

Von Simone Schmollack

Bierzelte, Bratwurst, Schießstände. Dazu Dates mit Lokalpromis unterm Riesenrad, Volkskönigschießen, Fanfarenumzüge und Frühschoppen. Ab Freitag nächster Woche ist es in Hannover wieder soweit: Zehn Tage lang dreht sich alles um die Schützen.

Für die einen sind Schützenfeste der Horror, für andere Kultur, zumindest Alltagskultur. Kann man damit Kulturhauptstadt Europas im Jahr 2025 werden? Die niedersächsische Landeshauptstadt bewirbt sich jedenfalls – neben Dresden, Chemnitz, Gera, Zittau und Magdeburg im Osten sowie Hildesheim und Nürnberg im Westen – allerdings wohl nicht mit dem in der Stadt überaus beliebten Schützenfest. Aber der Drang, den Titel zu erringen, ist groß.

Das ist gar nicht so leicht – und kostet vor allem viel Geld. Deshalb hat Hannover im Februar nicht nur einen Kulturrat gegründet, der sich eigens um die Bewerbung kümmert. Die Stadt hat ebenso beschlossen, den Kulturetat um 18 Millionen Euro aufzustocken und jedes Jahr um 1,5 Prozent zu erhöhen. Am Ende sollen laut Michael Wiechert, Vorsitzender des Kulturausschusses, mit Zuschüssen aus der EU, vom Land und von der Wirtschaft insgesamt 80 Millionen Euro zur Verfügung stehen – vorausgesetzt, Hannover bekommt den Zuschlag. „Das ist ein Alleinstellungsmerkmal“, sagt der CDU-Politiker. Damit zielt er auf die rückläufigen Steuereinnahmen an, die überdimensionale Ausgaben nicht zulassen. Und: Was sollen sonst jene sagen, die Kitas bauen und Straßen ausbessern wollen?

Das sehen Kulturschaffende in der Stadt anders. „Eine jährliche Steigerung des Kulturetats von 1,5 Prozent ist ein deutlicher Rückgang zu der Dynamisierung der vergangenen Jahre“, schreibt der Kulturrat in einem offenen Brief. Die „Dynamisierung“ beziffert der Kulturrat mit 4,5 Prozent. „Wird das Kulturbudget im vorgesehenen Umfang beschlossen, sehen wir die Ernsthaftigkeit und den politischen Rückhalt der Bewerbung Hannovers zur Kulturhauptstadt Europas ernsthaft in Frage gestellt“, heißt es in dem Schreiben weiter. Unterzeichnerinnen sind unter anderen die Schauspiel-Intendantin Sonja Anders, Kathleen Rahn, die Direktorin des Kunstvereins Hannover, und Stefan Becker vom Verein Freunde des Sprengel Museums Hannover.

Dabei hatte alles so gut angefangen. Im Herbst vergangenen Jahres hat sich der niederländische Kulturmanager Oeds Westerhof als Berater vorgestellt. Er hat im vergangenen Jahr Leeuwarden zur Kulturhauptstadt gemacht und dafür gesorgt, dass nicht wenige Menschen in Europa zum ersten Mal von der Stadt in der niederländischen Provinz Friesland gehört haben. Denn natürlich verspricht sich eine europäische Kulturhauptstadt ein Jahr lang mehr Aufmerksamkeit, mehr Tourismus und mehr Umsatz.

Für die einen sind Schützenfeste der Horror, für andere Kultur

Doch die Latte liegt hoch. Die Kriterien sind unter anderem eine europäische Dimension, eine außerordentliche Kulturstrategie der Stadt, gute Qualität von Kunst und Kultur und die Beteiligung der Gemeinschaft.

Oder anders ausgedrückt: Was kann Europa von Hannovers Kunst- und Kulturleben lernen? Wie ist Kultur im Leben der Menschen verankert? Und was wird davon bleiben, wenn das Jahr rum ist? Um diesem Anspruch zu genügen, muss die Stadt investieren, auffällige Kunst- und Kulturprojekte schaffen – etwa so wie das Duisburg als Kulturhauptstadt 2010 mit 350 gelben Ballons getan hat. Die schwebten wie Glühwürmchen durch die Nacht, in 80 Meter Höhe über ausgedienten Bergwerkshalden und Schächten. So etwas könne der Kulturrat mit dem jetzt derart knapp bemessenen Budget aber nicht leisten, argumentiert er. „Der Titel als Kulturhauptstadt Europas ist kein reiner Preis, sondern vielmehr eine Förderung für unsere Stadt“, heißt es im Schreiben. Das sehen die Grünen genauso. „Zu kleines Budget“, sagt Steffen Mallast, der für die Landtagsfraktion der Grünen in Niedersachsen arbeitet. Chemnitz stellt rund 30 Millionen Euro für die Bewerbung ein.

Welche Kulturprojekte sich der Kulturrat vorstellt, wie hoch das Budget sein müsste, um eine ordentliche Bewerbung abzuliefern und welche Projekte bei einem klammen Budget nicht gewährleistet werden könnten, ist unklar. Ebenso ob die Bewerbung scheitert, sollte es beim aktuellen Finanzstand bleiben. Der Abstimmungsprozess zwischen Finanz- und Kulturdezernat auf diese taz-Nachfragen dauerte bis zum Redaktionsschluss an.

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