: Aus Abwasser wird Energie
Im Wohnquartier Jenfelder Au ist ein neues Abwassersystem in Betrieb genommen worden. Abwasserentsorgung und Energieversorgung gehen dabei Hand in Hand
Von Katharina Gebauer
Hamburg bekommt ein neues Abwasserkonzept, das bei der Abwasserreinigung zugleich Energie produziert. Der sogenannte Hamburg Water Cycle im Wohnquatier Jenfelder Au reduziert dabei die CO2-Emissionen, spart Wasser und schließt Stoffkreisläufe lokal. Zusammen mit dem Wasserversorger Hamburg Wasser weihte die Umwelt- und Energiebehörde den Cycle gestern offiziell ein.
„Der Klimawandel verlangt, unseren Umgang mit der Ressource Wasser anzupassen“, sagt Umweltsenator Jens Kerstan. Um die Klimaziele Hamburgs zu erreichen, benötige es Innovationen wie diese. Einen Beitrag dazu leistet im Water Cycle bereits die Toilettenspülung der Vakuumtoiletten, mit denen die Neubauten ausgestattet sind: Statt der herkömmlichen sechs bis neun Liter pro Spülung benötigen diese nur einen Liter. Den Rest erledigt ein Unterdrucknetz, das zum Betriebshof in der Jenfelder Au führt.
In einem herkömmlichen Klärwerk werden alle Abwässer zusammen gereinigt. Im Hamburg Water Cycle werden sie getrennt voneinander gesammelt und aufgearbeitet: das Schwarzwasser aus der Toilette, das Grauwasser, also jegliches weitere Abwasser wie vom Duschen oder aus der Waschmaschine, sowie das Regenwasser.
Zunächst gelangt das Schwarzwasser durch das 3,7 Kilometer lange Unterdrucknetz in ein Pumpwerk, wo es auf 35 Grad Celsius aufgeheizt wird. Diese Temperatur ist nötig für die Weiterleitung in den sogenannten Fermenter, in dem sich Bakterien bei dieser Temperatur und mit Zugabe eines Co-Substrats – wie etwa Fettwasser aus der Gatronomie – optimal kultivieren können. So vergärt das Wasser innerhalb von 21 Tagen und es entsteht Biomethan zur Energiegewinnung.
Der Stoffkreislauf schließt sich mit der Rückführung des mithilfe von Kraft-Wärme-Kopplung entstandenen Biogases als Strom und Wärme in die Wohnungen. Damit dient das Schwarzwasser als Energiequelle des Quartiers. Überschussstrom wird in dem nach Umweltsenator Kerstan benannten Energiespeicher „Jens“ gelagert, 400 m³ fasst dieser.
Das europaweit größte Stoffstromtrennsystem wird 835 Haushalte mit mehr als 2.000 Bewohnern mit Energie aus Abwasser versorgen.
Rund 450.000 Kilowattstunden Strom und 690.000 Kilowattstunden Wärme werden dabei erzeugt.
Insgesamt kostet das Leuchtturmprojekt 13 Millionen Euro. Vier Millionen kommen von der Stadt Hamburg, etwa fünf weitere Millionen vom Bund. Zusätzliche Mittel stammen aus dem Life+Programm der EU.
Die Grauwasseraufbereitung in gereinigtes Brauchwasser, das wieder in die Natur eingespeist werden kann, ist noch nicht gestartet, momentan werden dafür zwei Verfahren getestet. Unabhängig davon, für welches man sich entscheidet, werden die Abwässer energiesparend gereinigt und anschließend wieder nutzbar gemacht oder in die Natur abgeleitet. Damit schließt sich auch dieser Stoffkreislauf.
Wie hoch diese Einsparungen bei der Behandlung sein werden, kann Wolfgang Kuck, Projektleiter des Hamburg Water Cycles, noch nicht beziffern. Hier seien zukünftige Bestandsaufnahmen nötig. Zukünftig soll zudem gemeinsam mit wissenschaftlichen Partnern untersucht werden, wie sich Mikroschadstoffe wie etwa Medikamentenreste im Abwasser eliminieren lassen. „Unsere Anlage eröffnet uns ein neues Forschungsfeld“, sagt Nathalie Leroy, Geschäftsführerin von Hamburg Wasser.
Das Pilotprojekt soll vor allem als Demonstrationsanlage für weitere Projekte dieser Art dienen, erklärt Kerstan: „Die bestehenden Abwassersysteme wie das zentrale Klärwerk Köhlbrandhöft werden in naher Zukunft unzureichend sein“, sagt er. „Ein Umbau in ein dezentrales und energieautarkes Energie-Abwasser-System ist die Zukunft.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen