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Analog ist besser

Auf dem Bremer Zine Festival beweisen rund 40 Zinemacher*innen, dass gedruckte Medien zwar eine Nische geworden – darum aber noch lange nicht erledigt sind

Von Jan-Paul Koopmann

Nein, Gedrucktes ist nicht tot. Zumindest nicht richtig. Natürlich gibt es die Printkrise, Vertriebswege werden holpriger und das Internet lockt. Dass im Trend die Gegenbewegung allerdings nicht nur schlummert, lässt sich an diesem Wochenende am Bremer Güterbahnhof erleben: Zum Bremer Zine Festival sind rund 40 Künstler*innen und Kollektive angereist, um ihre handgemachten Magazine vorzustellen, zu verkaufen und sich miteinander zu vernetzen.

Die Bandbreite ist enorm. Dank der Kooperation mit der Bremer Hochschule für Künste sind zahlreiche noch studierende Grafikdesigner*innen und Illustrator*innen vertreten, die vor allem am Material selbst arbeiten: Siebdrucke, verspielte Layouts, halbtransparente Seiten und immer wieder auch Erzählweisen, die das Umblättern mitdenken – die sich partout nicht aufs Motiv reduzieren lassen wollen. Kunst und Design sind die stabile Basis des Zine Festival, das an den Rändern allerdings weit über den Kontext Kunsthochschule hinaus wirkt.

Auf den Tapeziertischen im Güterbahnhof stapeln sich auch politische Arbeiten, insbesondere aus dem in der Zine-Szene grundsätzlich stark vertretenen queer-feministischen Spektrum.

Die politische Arbeit an der neuen Gesellschaft trifft hier nicht zufällig auf eine neue Lust aufs Papier: „Mich spricht vor allem das Handgemachte der Zines an“, sagt Mitorganisatorin Sophie Meyerhoff, „die Arbeit in Eigenregie – und das Persönliche“. Dass die ausgestellten Künstler*innen das ähnlich sehen, lässt sich beim Blättern in den Zinestapeln mindestens vermuten.

Inhaltlich kuratiert wurde das Festival nicht. „Ich lade offen ein“, sagt Gregor Straube, der sein Festival vor allem als Plattform des Austauschs sieht. Die hat Straube dann allerdings mit Geschichtsbewusstsein ausstaffiert. Neben den Künstler*innen sind in der Halle nämlich auch Archivare der Zinegeschichte vertreten: Der Bremer Sportverein dokumentiert Fußballfanzines bis in die 1920er-Jahre, die Factory 27 aus Achim gibt Einblicke in gesammelte Schülerzeitungen und Szenemagazine, vor allem in die außerparlamentarische Politik der 70er- und 80er-Jahre. „Der Penis“, heißt es auf einem Titelblatt in der Vitrine, sei „größer als Marx“. Daneben erinnern handgezeichnete Punks und Autonome an Kämpfe von einst.

Für manche ist das mehr als Nostalgie: am Nebentisch wird klassische und aktuelle anarchistische Theorie angeboten. Einen Namen hat die Gruppe selbstredend nicht, ein Programm aber irgendwie schon: anders als die historischen Auslagen drumherum führen die Anarchos nämlich nur Texte, „die heute noch aktuell sind.“ Ebenfalls auf dem Festival vertreten ist das an der Weserburg beheimatete Studienzentrum für Künstlerpublikationen, dem die Schnittmenge von Kunst und Publikation ins Programm eingeschrieben ist.

Beachtlich ist auch, dass neben internationalen Gästen tatsächlich gut die Hälfte der Zine-Macher*innen aus Bremen kommt, wo sich gemessen an früheren Veranstaltungen eine kontinuierlich wachsende Szene entwickelt hat.

Es war ein langer Weg: die Science-Fiction-Hefte der 20er-Jahre haben sich Ende der 60er der Rockmusik zugewandt, um dann wenig später beim Punk zu sich zu finden. Experimentelle Layouts treffen auf Kunst, entwickeln ganz bewusst eine linksradikale Anti-Presse mit Flugblattcharakter, die aber eben auch mit klassischen Formen spielt, die Fake-Interviews bringt und den staatstragenden Ton der damaligen Medienwelt aggressiv bricht.

Gleichzeitig wird die Technik besser: Copyshops steigern die Auflagen und ermöglichen anonymen Druck, etwas später lösen Heimcomputer Schnibbelbücher und mit dem Geodreieck gezogene Layouts ab. Und da wird es interessant. Ein großer Teil des Szene-Selbstgesprächs verlagert sich ins Internet, über Chatrooms und Foren, weiter in die Blogs – und heute eben auf Kleinstformate wie Facebook oder Twitter. Der technische Fortschritt birgt auch eine Machtfrage mit Zwickmühle: hatten anfangs nur die Technisch-Versierten Zugriff aufs neue Medium, unterliegt der aktuelle niedrigschwellige Zugang wiederum der Steuerung von Konzernen.

Ob sich die Zinemacher*innen von heute bewusst mit solchen Fragen herumschlagen, ist Nebensache. Beim Gang durch den Güterbahnhof lässt sich jedenfalls nicht übersehen, dass kritische Gedanken und künstlerischer Ausdruck mit den Freiheiten des vermeintlich veralteten Mediums etwas anzufangen wissen.

Bis So., 16. 6., Tor 40 am Güterbahnhof

In den kommenden Wochen wird die taz.bremen einige der handgemachten Bremer Druckerzeugnisse im Detail vorstellen.

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