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das ding, das kommtErkenntis hinter Stacheldraht

Das angebliche Sinnbild für die neueste, nämlich mit sogenannten „smarten“ Technologien“ ausgestattete Generation von Schutzzäunen kommt nach Hamburg. Gemeint ist der Grenzzaun zwischen Serbien und Ungarn, für den der niederländische Künstler Dani Ploeger nach Subotica in Serbien reiste, um dort ein Stück Stacheldraht aus dem Zaun zu schneiden. Nach knapp einer Minute rief der smarte Bewegungsmelder schon die ungarische Grenzpolizei auf den Plan, die auf der anderen Seite allerdings nichts gegen die Aktion des Künstlers ausrichten konnte.

Nun ist das geklaute Stück ab dem heutigen Samstag also tatsächlich in einer Installation Ploegers zu sehen, im Rahmen des Virtual-Reality-Festivals „VRHAM!“. Den eigentlichen Bewegungsmelder setzte er dabei anders um: Je näher man dem Stück Stacheldraht kommt, desto weiter zieht es sich auseinander. Ein ästhetischer Blick auf das stachelige Ding, das ja eigentlich für Abwehr und Gefahr steht.

Was am Grenzzaun horizontal angebracht ist, stellt Ploeger senkrecht: Während es waagerecht Menschen vom Zaun fernhalten soll, wird es von der Seite betrachtet zur Skulptur. Dadurch, wünscht sich Ploeger, entsteht der erwünschte „Mindfuck“: die einladende Wirkung, näher zu kommen und das eigentlich gefährliche Material zu begreifen und anders darüber nachzudenken.

Der eigentliche Grenzzaun ist für Ploeger, der im vergangenen Jahr den Festival-eigenen „VHRAMMY“-Award bekommen hat, übrigens keineswegs „smart“, sondern, ganz klassisch, ein „Eiserner Vorhang“, denn größtenteils besteht der Grenzzaun eben aus Stacheldraht.

Den echten Zaun möchte Ploeger in Hamburg möglichst realitätsgetreu erlebbar machen: Neben seiner Stacheldrahtkulptur ist bis zum 15. Juni in der Oberhafenkantine auch ein 3-D-Video zu erleben, auf dem man in 360°-Sicht nacherleben kann, wie Ploegel das Zaunstück klaute.

„Dani Ploeger – Smart Fence“: bis 15. 6., Hamburg, Oberhafenkantine. Im Rahmen von „VRHAM! – Virtual Reality & Arts Festival“, bis 15. 6., www.vrham.de

Noch ein drittes Element hat Ploeger da aufgebaut: eine Replika eines Schildes vom Originalzaun mit der Aufschrift: „caution. electric fence“. Scannt man dieses Schild mit einem Tablet, wird ein visuelles 1:1-Modell des Grenzzaunes erzeugt. Seine Arbeit benutzt dabei zeitgenössische Alltagstechnologien mithilfe von „Augmented Reality“, also „Erweiterter Realität“.

Dabei weiß Ploeger auch, „dass alle seine Installationen die Realität verfehlen“. Sein Ziel: Den Hype um Augmented Reality zu hinterfragen und sich des Paradoxes bewusst zu werden, dass die Technologie die brutale Realität an der Grenze vertuscht – wer im Techno-Sprech darüber spricht, verharmlost den Gewaltcharakter, der einer solchen Technologie innewohnt. Katharina Gebauer

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