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Archiv-Artikel

SPD versenkt Wahlkampfthema

Parteilinke Nahles fordert Kampagne gegen Kopfpauschale. Doch der Kanzler will von dem Thema nichts mehr wissen

BERLIN taz ■ Kopfpauschale versus Bürgerversicherung, das sollte bei der SPD das große Wahlkampfthema werden. Hieß es zumindest im vorigen Jahr. Nun ist der Wahlkampf da – und die erwartete Auseinandersetzung zwischen Sozialdemokraten und Union bleibt trotz der unterschiedlichen Auffassungen der beiden Parteien zur Gesundheitspolitik aus.

Redlich mühte sich gestern SPD-Präsidiumsmitglied Andrea Nahles, Hauptverfechterin der Bürgerversicherung, das Thema doch noch ins Gespräch zu bringen. Das Konzept sei solidarisch und garantiere die gerechte Verteilung der Kosten. Zum einen sollen alle Bevölkerungsgruppen, also auch Beamte oder Selbständige, einkommensabhängige Beiträge einzahlen. Zum anderen sind auch auf Kapitaleinkünfte Beiträge zu entrichten. Die Kopfpauschale der Union sei nicht finanzierbar und benachteilige einkommensschwache Bevölkerungsgruppen. Sie sei „brandgefährlich für die Gesellschaft“, erläuterte Jürgen Borchert, Richter am Landessozialgericht Hessen.

Das Problem für die Wahlkämpferin Nahles: Die Kopfpauschale wird von der CDU zwar im Programm geführt, offensiv beworben jedoch keinesfalls. Die wenigsten rechnen bei einem Wahlsieg der Union damit, dass die Kopfpauschale umgesetzt wird. „Die Union hat einfach kein Finanzierungskonzept“, erklärt Matthias Machnig, ehemaliger Chefwahlkämpfer der SPD. Die geplante Beitragsfreiheit für Kinder führe zu einem Loch von fünfzehn Milliarden Euro. Diese Lücke ließe sich nur über eine weitere Anhebung der Mehrwertsteuer über die geplanten zwei Prozentpunkte hinaus schließen. Das wiederum ist nur schwer zu vermitteln.

Da die Sozialdemokraten im Wahlkampf einen rein reaktiven Kurs fahren, drehen sich die aktuellen Debatten statt um Gesundheitskonzepte eher um die Wahlkampfpannen der CDU. Zumal sich die Sozialdemokraten auch intern nicht ganz einig sind. Andrea Nahles betonte zwar, die Bürgerversicherung sei ein „klarer und fester Bestandteil“ des SPD-Programms und die Partei stehe geschlossen hinter dem Konzept. Doch hielt sich Kanzler Schröder bei seinen bisherigen Wahlkampfauftritten mit dem Thema Gesundheitspolitik auffallend zurück.

Auch Machnig findet die Bürgerversicherung im Grundsatz zwar richtig, sieht aber in einigen Fragen noch Unklarheiten. Kein Wunder also, dass die Sozialdemokraten mit dem Thema Gesundheit nicht gerade in die Offensive gehen. SARAH MERSCH