: Her mit der Betreuung für Kinder und Alte!
Für Babys und zu pflegende Angehörige muss Betreuung her. Dann sinkt auch die Angst vor der Verantwortung
Deutschland ist keine Nation der Egoisten. Der familiär entwurzelte Deutsche, der nur ans eigene Wohl denkt – er ist ein Klischee. Das zeigen neuere Studien, die der Familienbericht ausgewertet hat.
So hilft Millionen Elternpaaren der Babysitter Oma. Zwei von fünf Kindern kennen weder Krippe noch Kindergarten. Sie werden bis zur Schule einzig von Verwandten umsorgt, die Großeltern springen ein, wenn die Kita nur eine Warteliste bietet. Denn lediglich die Ost-Bundesländer bieten jedem dritten Kind unter drei Jahren einen Krippenplatz. Im Westen aber wünschen sich acht von zehn Eltern vergebens eine Kita für ihre Kleinsten. Gäbe es genug Betreuungsplätze, dann könnten bis zu 22 Kinder mehr je hundert Frauen geboren werden, hat der Soziologe Hans Bertram ermittelt.
Noch aber bewahrt nur Oma vor dem Betreuungsnotstand. Bis sie dann selbst ein Sorgenfall wird. Denn auch die Seniorenpflege ist vor allem Familiensache. Noch immer werden 92 Prozent derer, die laut Versicherung als pflegebedürftig gelten, privat betreut. Und nach wie vor ist dies vor allem Frauensache. Das ergab eine Umfrage unter Frauen der Jahrgänge 1960, 1970 und 1980. Jede fünfte berichtete, sie hätte mindestens ein halbes Jahr ihres Lebens dem Pflegen gewidmet. Ob sie Hausfrau ist oder ganztags ins Büro geht, ist dabei nebensächlich. Die Umfrage konnte nicht erhärten, dass sich Erwerbslose häufiger um gebrechliche Verwandte kümmern als Berufstätige. Dabei ist der Zeitaufwand immens: Jede zweite Befragte nannte Pflege einen Fulltimejob.
Gerade anfangs mühen sich die Frauen, die Mehrarbeit parallel zum Beruf zu bewältigen. Viele kostet das die Gesundheit. Wer Angehörige pflegt, ist häufiger krank als die Restbevölkerung. Und wer die eigenen Eltern versorgt hat, sagt besonders oft: Meinen eigenen Kinder will ich das nicht zumuten – ein Hinweis, als wie belastend der Pflegende seine Aufgabe empfindet. Die Familienberichts-Experten fordern daher eine breitere Diskussion. Die Politik müsse neue Wege finden, pflegende Familien zu entlasten – und Senioren ein Entweder-oder zwischen Zuhause und Heim ersparen. COS
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