Benjamin Moldenhauer Popmusik und Eigensinn: Eine eher triste Versicherung
Es ist schön und auch gemütlich, in einem Stadtteil zu leben, in dem nahezu alle stabil irgendwas links von der SPD wählen. Der Osten dagegen wird mehr und mehr zum Lande, wo die Schatten drohen. Es ist falsch und albern, angesichts der düsteren Lage in „Mauer wieder hoch“-Witzeleien zu verfallen. Besser: Spenden an antifaschistische Initiativen und Vereine, Unterstützung der Kulturzentren, die noch nicht zur rechten Hegemonie gehören. An wen soll man spenden?
An Silbermond schon mal nicht, und damit wäre der holprige Übergang zur Popmusik dann auch geschafft. In ihrem Stück „Mein Osten“ beklagt die Band aus Bautzen, über deren Musik wir an dieser Stelle schweigen, die Lage in der Gegend, die die Musiker*innen ihre Heimat nennen. „Ich kenn’dich, kenn’dich gut / Mein Osten, mein Osten / Versteh zum Teil auch deine Wut / Mein Osten, mein Osten“.
Das Lied wird eins von diesen Identifikationsangeboten sein, von denen man immer wieder hört: Wer nach Treuhand, Arbeitslosigkeit und Ossi-Witzen seine Biografie als eine gescheiterte wahrnimmt, soll sich hier verstanden fühlen. Das Stück zeugt vom Bemühen, Menschen, deren Arbeitsbiografien nach 1990 vom freien Markt zerstört worden sind, mittels positiven Heimatbezug wieder heimzuholen in die demokratische Mitte. Die gute Absicht spürt man, aber auch den Zweifel, ob Menschen, die die zum Teil verstandene Wut der Ostdeutschen ganz direkt am eigenen Leibe spüren, sich hier noch mitgemeint fühlen werden.
Nun ist die Faschisierung der Gegend, von der Silbermond sagen, dass sie hier ihre „Wurzeln“ und ihr „Revier“ zu haben, weit fortgeschritten, und das Problem, dass die Schnittmenge zwischen den sogenannten Abgehängten und der radikalen Rechten groß ist, sieht die Band offenbar auch und singt: „Aber was nicht hilft, sind wir uns da einig? Ideen von 1933“.
Das Versprechen, das Silbermond formulieren, ist schwach: „Wir kriegen irgendwas hin“. Das wird da echt so gesungen. Politische Musik ändert generell nix, aber sie gibt unwillentlich Hinweise darauf, wie die Kräfteverhältnisse einzuschätzen sind. Das Versprechen der Rechten ist im Vergleich ungleich stärker: Ihr dürft Ausländer und alles sonstige Abweichende schikanieren und euch als Herrenmenschen fühlen, auch wenn es euch ansonsten weiterhin so scheiße gehen wird wie allen anderen. Vielen genügt das. Wer diese Wahrnehmung nicht in seine politischen Lieder aufnimmt, dem bleibt außer der Beschwörung von Wurzeln und der eher tristen Versicherung „Ich vergess nicht, wo ich her komm“ nicht mehr viel übrig.
Mi, 5. 6., 20 Uhr, Schlachthof
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