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Paketboten besser vor Ausbeutung schützen

Paketunternehmen sollen für Verstöße von Subunternehmen haften und Lohndumping unterbinden. Darauf haben sich Union und SPD geeinigt. Lob von der Opposition

Viele Zusteller arbeiten mit ausbeuterischen Subunternehmen Foto: Foto:Bernd Wüstneck/dpa

Von Ulrich Schulte

Neulich in Berlin-Weißensee. Ein Paketbote irrt abends durch ein Treppenhaus. Der Mann ist gestresst, er spricht nur gebrochen Deutsch, seinen weißen Lieferwagen hat er schräg auf dem Bürgersteig geparkt. Eigentlich müsste er längst Feier­abend haben – doch im Laderaum liegen kreuz und quer Pakete.

Solche Szenen sind in der deutschen Paketbranche inzwischen die Regel. Dort herrschen katastrophale Arbeitsbedingungen. Viele Zusteller arbeiten mit Subunternehmern, die Lohndumping betreiben – und so ein neues Dienstleistungsproletariat schaffen. Die Große Koalition hat sich jetzt darauf geeinigt, die Arbeitsbedingungen von Paketboten zu verbessern und eine sogenannte Nachunternehmerhaftung einzuführen.

„Damit sorgt die Koalition für Beitragsehrlichkeit, die soziale Absicherung aller Paketzusteller und zugleich für einen fairen Wettbewerb“, heißt es in einem Ergebnispapier, das nach dem Koalitionsausschuss am Dienstagabend veröffentlicht wurde. Gleichzeitig soll der bürokratische Aufwand für Unternehmen verringert werden. Ein klassischer Kompromiss: Die SPD hatte auf die Regeln für Paketboten gedrungen, die Union auf die Bürokratieentlastung für die Wirtschaft.

Die Sozialdemokraten lobten am Mittwoch die Einigung. Das Gesetz gebe den Zustellenden „deutlich mehr Sicherheit“, twitterte SPD-Chefin Andrea Nahles. Kerstin Tack, die Arbeitsmarktexpertin der Fraktion, sagte, große Paketdienste würden bald verpflichtet, für nicht gezahlte Sozialabgaben ihrer Subunternehmer aufzukommen. „So schieben wir nun auch in der Paketbranche Lohndumping und Tricksereien mit dem Mindestlohn einen Riegel vor.“

Der Arbeitsmarkt in der wachsenden Paketbranche ist der Gewerkschaft Verdi zufolge zweigeteilt. Es gibt tariflich und sozial geschützte Arbeitsplätze bei großen Anbietern wie DHL. Zugleich werden Sub- oder Subsubunternehmen beauftragt, bei denen systematisch gegen geltendes Arbeitsrecht verstoßen werde. „Für die Beschäftigten ist es gut, dass die Politik handelt und nicht zögert“, sagte Verdi-Vizechefin Andrea Kocsis. Eine Nachunternehmerhaftung existiert bereits in der Bauwirtschaft und der Fleischbranche.

Das Gesetz gebe den Zustellenden „deutlich mehr Sicherheit“, twitterte SPD-Chefin Nahles

Ein Referentenentwurf von Ende April, der der taz vorliegt, verweist auf Erkenntnisse des Zolls. Eine bundesweite Razzia habe im Februar 2019 gezeigt, dass es in der Paketbranche zu Schwarzgeldzahlung, Sozialleistungs- und Sozialversicherungsbetrug komme. Durch eine Nachunternehmerhaftung haften Generalunternehmer, also die großen Paketdienstleister, dafür, dass ihre Subunternehmer die Versicherungsbeiträge abführen. Sie werden also dazu gezwungen, auf Seriosität zu achten.

Aus der Opposition kam verhaltenes Lob für die Pläne. Grünen-Fraktionschefin Ka­trin Gö­ring-Eckardt sagte, es sei „höchste Zeit“, dass die Nachunternehmerhaftung komme. „Das ist gut für die vielen Zustellerinnen und Zusteller, die einen Knochenjob leisten.“ Die beschlossene Regelung dürfe kein Placebo sein und müsse tatsächlich wirken. „Die Nachunternehmerhaftung muss deshalb mit flächendeckenden Prüfungen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit flankiert werden.“

Pascal Meiser, Gewerkschaftsexperte der Linken-Fraktion, bezeichnete die Reform als „überfälligen Schritt“. Es müsse aber umfassend Ordnung in der aus den Fugen geratenen Branche geschaffen werden. „Die Erlaubnis zur Paketzustellung muss endlich an klar definierte Qualitätskriterien und das Vorliegen einer Lizenz geknüpft werden.“ Diese Lizenz müsse bei Rechtsverstößen konsequent entzogen werden.

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