: Knallhart kämpfen und verletzlich sein
Die TripHop-R’n’B-Künstlerin FKA twigs ist zurück und glänzt im Admiralspalast – stimmlich, aber auch mit vollem Körpereinsatz. Ganz große Show
Von Stefan Hochgesand
Freude hallt am Freitagabend durch den Admiralspalast, als FKA twigs vor den weinroten Vorhang tritt, in einem Outfit, das nach Haute-Couture-Verschnitt von Nonnenkutte und Küchenkittel ausschaut. Die 31-jährige Britin startet zum Auftakt ihres Berliner Konzerts mit einem Tanz – und was für einem! Es ist ein aufbegehrender Tanz in Flamenco-Manier, solo, mit ausladenden Gesten, die den Gusto des Publikums treffen.
Ein Exzess an Energie – so als müsste sie nicht später noch diverse Stunts vollführen, stimmlich, aber auch mit ihrem ganzen Körper.
Ende 20, Anfang 30 sind die meisten wohl im gut gefüllten Palast, und einige der Fans dürften von weiter weg angereist sein, denn zwischen ihren Auftritten in Amerika und in Australien beehrt FKA twigs dieses Jahr erst mal nur vier Städte in Europa: neben Berlin sind das noch London, Barcelona und Paris.
Sowieso war es in den letzten drei Jahren eher still geworden um die Weltklasse-Künstlerin, nach dem Debüt-Album „LP1“; das wurde 2014 von der Kritik gefeiert für einen Stil, der entfernt an die TripHop-Ikonen Porthishead erinnert, auch an die Avantgarde-Electronica von Björk, aber der mit seinem mal opernhaft, mal R’n’B-beseelten Sopran und seiner Tanzbodentauglichkeit so spannend getwistet ist, dass twigs’ Soundsignatur doch sehr für sich steht.
Sechs Tumore entfernt
Vor einem Jahr hat FKA twigs öffentlich gemacht, dass ihr sechs Tumore entfernt werden mussten. Typisch twigs, denn sie steht mit ihren Songs und ihrem ganzen Auftreten dafür, dass das kein Widerspruch ist: knallhart zu kämpfen und trotzdem auch zur eigenen Verletzlichkeit zu stehen. „Hide“ heißt er erste Song dann am Freitag, FKA twigs’ selbstbewusster Break-Up-Gesang schwebt erhaben über den synkopierten Off-Beats, bei „Water Me“ schleichen sich Orgel-Drones ein, Strobo kehrt die Lichtverhältnisse blitzartig so um, als würde man Fotonegative sehen.
FKA twigs sieht inzwischen so aus, als wäre sie halb Hochzeitskleid, halb Wolke, bei „Pendulum“ atmet die Beatmaschinerie, und twigs stellt klar, dass sie nicht „in love for your constant fun“ ist. Viel zu lange war sie „so lonely“, fünf Sekunden Effektpause, „to be yours“, das Publikum liebt diesen mitunter hyperdeutlich die Silben zelebrierenden Gesang, der klingt, als hätte Tori Amos ernsthaft Operntraining genommen, um auch mal wie die Zauberflöten-Königin der Nacht zu kieksen.
Ein Quartett aus Tänzer*innen sowie metallische Frequenzen und düsteres cyborghaftes Cello gesellen sich zu twigs, auf den zwei Palast-Rängen tanzt die Crowd, zwei Männer im Publikum mit Oberlippenbart kuscheln sanft. Twigs gibt eine Handvoll neuer Songs zum Besten, klaviergetriebener als früher, und man staunt, wie dieser Sound so wuchtig und so voll sein kann, obwohl er mit nur wenigen Klangschichten auskommt.
Bei twigs’ Hüftschwung kann Elvis einpacken, die Pailletten funkeln. Diese Stimme von twigs ist ein Ereignis, klingt immer ganz nah, als ob sie direkt bei einem wäre, einen umschlänge und liebkoste. Die Beats schmettern wie ein Schwarm Schmetterlinge, als twigs, als wollte sie Dämonen und Drachen bannen, ein Schwert zückt, im Stil chinesischer Martial Arts Dutzende Schläge vollführt und schließlich die haushohe Stoffwand hinter sich einreißt.
„Keine Mauern“ ist offenbar sowieso das Motto der Künstlerin of Color. Hinter dem Stoff steht eine Art Baugerüst, aber fürs Richtfest geht es nun doch schon arg noisy zu. All das wirkt im besten Sinne wie eine intimere Kammerversion der Shows von Beyoncé, aber nicht mal die kann, was nun kommt: twigs schwingt sich zum Pole Dance auf und hängt kurz später kopfüber an der vertikalen Tanzstange, gehalten allein durch die Kraft ihrer Beine, das Publikum jubelt.
Viel zu oft wird inzwischen bei Konzerten von Shows gesprochen, aber dieser Abend ist wahrlich eine Show, eine Show aus Sounds und Stärke, ein Statement, dass FKA twigs zurück ist, noch im Lauf dieses Jahres soll die neue Platte kommen.
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