: Säumigen Vätern auf der Spur
Niedersachsens Sozialministerium will getrennte Eltern, die keinen Unterhalt für ihre Kinder zahlen, nicht mehr in Ruhe lassen
Von Simone Schmollack
Nur noch so wenig Geld, aber zu viel Monat übrig. Wenn jetzt wenigstens Unterhalt für das Kind da wäre, aber der Vater zahlt ja nicht … Vor diesem existenziellen Dilemma stehen regelmäßig nicht wenige Alleinerziehende überall in der Republik. In Niedersachsen leben nach Angaben des hiesigen Sozialministeriums 244.000 Alleinerziehende, 203.000 von ihnen sind Frauen.
Weil viele von ihnen keinen, zu wenig oder nur unregelmäßig Unterhalt vom Vater bekommen, müssen sie Unterhaltsvorschuss beantragen. Den zahlt der Staat, in Niedersachsen profitieren davon derzeit etwa 86.000 Kinder und Jugendliche. Das sind rund 35 Prozent der Alleinerziehenden im Land, an sie wurden im vergangenen Jahr 218,4 Millionen Euro gezahlt. Geld, dass sich Bund, Länder und Kommunen von den säumigen Unterhaltspflichtigen zurückholen können – und sollen. Aber oft ist das gar nicht so einfach. Manche Väter tauchen ab und sind für Behörden nicht mehr zu finden, andere rechnen sich arm, wiederum andere sind selbst so arm dran, dass sie nicht zahlen können. In Niedersachsen beträgt die sogenannte Rückholquote gerade mal 13 Prozent. In Euro ausgedrückt sind das 190 Millionen, die der Gemeinschaft fehlen.
So geht das nicht mehr weiter, findet Sozialministerin Carola Reimann (SPD), und hat – gemeinsam mit demNiedersächsischen Landkreistag und dem Niedersächsischen Städtetag – eine Art Rückholplan aufgestellt, den „Niedersächsischen Rückgriffspakt“. Hinter dem Wortungetüm verbirgt sich eine Verwaltungsvorschrift, die sicherstellen soll, dass sich säumige Eltern nicht mehr so einfach um die Rückzahlungen drücken können. Vorstellen muss man sich das wie ein Pop-up-Fenster im Computer: Herrn XYZ an die Rückzahlungen erinnert, keine Antwort von ihm erhalten, zack, ploppt bei den Mitarbeiter*innen in den Behörden die Erinnerung auf: an Herrn XYZ dran bleiben.
„Wir hoffen die Rückholquote auf 30 Prozent zu steigern“, sagte Dirk-Ulrich Mende, Geschäftsführer des Niedersächsischen Städtetages, am Donnerstag in Hannover, als der „Rückgriffspakt“ unterzeichnet wurde. Mende: „Es kann nicht sein, dass die Gemeinschaft für säumige Väter zahlt.“ Eine 100-prozentige Rückholquote dürfte es dennoch nicht geben. Nicht alle Väter (und wenige Mütter), die ihren Kindern Unterhalt schulden, können nicht zahlen, weil sie selbst nichts haben. An dieser Stelle verdoppelt sich die soziale Tragik von Einelternfamilien. Dem Verband Alleinerziehender Mütter und Väter Niedersachsens zufolge leben 42 Prozent von ihnen an der Armutsgrenze.
Die hohen staatlichen Unterhaltsvorschusszahlungen resultieren nicht allein aus einer vermeintlich wachsenden Zahl säumiger Väter. Seit 2017 wird der Unterhaltsvorschuss nicht wie bis dahin nur an Kinder bis zum 12. Lebensjahr gezahlt, sondern bis die Kinder volljährig sind. Damit hat sich die Zahl anspruchsberechtigter Mädchen und Jungen verdoppelt.
Was, wenn der Ex trotz allem nicht zahlt, obwohl er es könnte? Dann drohen Zwangsvollstreckung oder Bußgelder. An den Entzug des Führerscheins, wie das vielerorts in den USA üblich ist und vor einiger Zeit hierzulande kurzzeitig ebenfalls debattiert worden war, ist nicht gedacht.
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