heute in bremen: „Gefangen in kolonialer Arbeitsteilung“
Aram Ziai, 46, ist Heisenberg-Professor an der Universität Kassel für Entwicklungspolitik und Postkoloniale Studien.
Interview Alina Götz
taz: Herr Ziai, aus Ihrer Post-Development-Perspektive kritisieren Sie die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung, kurz, SDGs. Warum?
Aram Ziai: Entwicklung darf nicht in dem Sinne verallgemeinert werden, dass sich alle am globalen Norden orientieren müssen. Das ist ein ökologisches Katastrophenmodell. Wir brauchen sozialverträgliche, ökologische Alternativen, die nicht von einer kolonialen Abwertung der Gesellschaften im Süden geprägt sind.
Warum schaffen die SDGs es nicht, das zu formulieren?
Ich spreche heute auch über den Entstehungskontext der SDGs: Die Ziele und ihre Vorläufer sollen vielmehr suggerieren, dass die Weltgemeinschaft das Problem der globalen Ungleichheit anerkennt und schon dafür sorgt, dass es besser wird. Es geht bei den SDGs um die Legitimation und Akzeptanzschaffung für die bestehende Weltordnung.
Wie geht Armutsbekämpfung anders?
Vortrag: „Armutsbekämpfung im Kontext der SDGs“ der Ringvorlesung „Ziele für nachhaltige Entwicklung: Ambivalenzen einer globalen Agenda“: 18.30 Uhr, Haus der Wissenschaft
Wenn man es ernst meint mit der Armutsbekämpfung, müsste man über Welthandel, Schuldendienst und Steuervermeidung reden und irreguläre Finanzflüsse zwischen den Eliten des Südens und Konzernen des Nordens stoppen. Die weltwirtschaftliche Struktur muss geändert werden. Die Unternehmen des Nordens zu beschränken wäre dann natürlich mit mehr Gegenwind verbunden.
Inwieweit betreffen uns die Entwicklungsziele der UN?
Wir sind immer noch gefangen in einer gewissen kolonialen Arbeitsteilung. Andere produzieren für unsere Bedürfnisse die der globalen Mittelklasse. Unser Lebensstil beruht auf der durchaus marktkonformen Aneignung billiger Ressourcen und Arbeit anderer Länder. Die exotischen Früchte in unserem Müsli verbinden uns mit den Menschen, die diese zu bestimmten Bedingungen anbauen.
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