: Schwer zu finanzieren
In Armenien verdienen Journalisten wenig und müssen Zweitjobs annehmen
„Nachrichten aus der Hölle“: Das ist der Name einer der berühmtesten Plattformen in den armenischen sozialen Medien. Der Redakteur dieser ungewöhnlichen Nachrichten nennt sich Velsevul. Velsevul existiert allerdings gar nicht, er ist eine Schöpfung des 32-jährigen Journalisten Nikolai Torosjan, Autor der „Nachrichten aus der Hölle“ und Chefredakteur eines der professionellsten Medien in Armenien – Pan.am. Die Nachrichtenagentur publiziert in drei Sprachen – Armenisch, Englisch und Russisch.
In den „Nachrichten aus der Hölle“ nimmt Torosjan surrealistische Ereignisse, die er in den armenischen Medien entdeckt, aufs Korn – genauso wie die schlechte Arbeit armenischer Medien und Politiker. Die Plattform hat nach eigenen Angaben 24.000 Abonnenten und ist damit nach dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen das zweitpopulärste Medium. Torosjan blickt auf die Zeiten zurück, als er die Plattform 2014 gründete: „Die Menschen wollten schlechte Nachrichten lesen. Demgegenüber gab es den öffentlich-rechtlichen Fernsehkanal, der alles in rosaroten Farben malte. Diese Nachrichten schaute sich niemand an, weil sie total von der Wirklichkeit abgekoppelt waren.“
Die Medienlandschaft Armeniens hat sich mittlerweile gewandelt. Weil das Land so klein ist, haben rein armenischsprachige Medien es schwer, sich zu behaupten, wenn nicht ein finanzkräftiger Eigentümer hinter ihnen steht. Andere sind auf Geld verschiedener politischer Kräfte angewiesen. Manche wiederum erhalten Hilfe von ausländischen Organisationen. Die Armenier selbst sind nach dem Eindruck von Torosjan noch nicht bereit, für guten Journalismus zu zahlen.
Nach seiner Meinung ist das größte Problem des armenischen Journalismus die Oberflächlichkeit. Die Mehrheit der Journalisten schreibe, ohne sich tiefgründig mit dem Thema zu beschäftigen. Dafür gibt es Gründe: Die Universitäten vermitteln vor allem Theorie und wenig Praxis. Zudem verdienen die Journalist*innen wenig – rund 300 Euro im Monat. Deshalb sind viele gezwungen, noch woanders zu arbeiten. Reporter ohne Grenzen führt Armenien in diesem Jahr auf dem Index der Pressefreiheit auf dem 61. Rang unter 180 Staaten – eine Verbesserung um 19 Plätze.
Torosjan erlebt immer wieder, dass sarkastische Posts auf der Seite „Nachrichten aus der Hölle“ für bare Münze genommen und so in den sozialen Medien verbreitet und kommentiert werden. Inzwischen denken er und seine Kolleg*innen darüber nach, in einer Rubrik ausschließlich gute Nachrichten zu veröffentlichen. Aren Melikyan
Übersetzung: Barbara Oertel
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