Öl ist die Mutter des Kapitalismus

Regine Dura und Werner Kroesinger verfolgen die Spur der Petrodollars in ihrem dokumentarische Stück „Schwarze Ernte“ im HAU. Dabei geht es auch um den Export des Islam

Das Öl tendiert zum Action-Painting in dem Stück „Schwarze Ernte“ Foto: David Baltzer

Von Inga Dreyer

Tiefschwarz und ekelerregend zähflüssig erscheint das Getränk in ihren Gläsern. Was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Saudi Aramco aber nicht weiter zu stören scheint. Fröhlich nippen sie an ihren merkwürdigen Drinks und preisen die schier unendlichen Möglichkeiten der riesigen Erdölfördergesellschaft. „Come and live the dream with us“, „Lebe den Traum mit uns“, sagt Lee (Lajos Talamonti) grinsend. Im Hintergrund läuft Pling-Pling-Musik (Mattef Kuhlmey) und alle sind happy.

Das Dokumentartheaterstück „Schwarze Ernte“ von Regine Dura und Hans-Werner Kroesinger, das am Wochenende im Hebbel am Ufer in Berlin uraufgeführt wurde, erzählt die Geschichte der Erdölförderung in Saudi-Arabien, deren Verquickung mit den Interessen der USA und dem Export der saudischen Spielart eines traditionalistischen, sunnitischen Islams, des Wahhabismus.

Zu Anfang ist die Bühne so weiß wie ein leeres Blatt Papier. Mit der Zeit verbreitet sich schmierige, schwarze Farbe, sprudelt aus dem Waschbecken und läuft an der Rückwand des Bühnenbildes (Friederike Meisel) in dunklen Schlieren hinunter.

Die Dokumentarfilmregisseurin, Dramaturgin und Autorin Regine Dura und der Dokumentartheater-Macher Werner Kroesinger, seit etlichen Stücken ein Team, finden starke Bilder für ihr anspruchsvolles Thema. Der stimmige Rhythmus, die Präsenz der Schauspieler und Schauspielerinnen (Claudia Splitt, Rashidah Aljunied, Lajos Talamonti, Oscar Olivo), die atmosphärische bis treibende Musik und eine Portion Situationskomik sorgen dafür, dass die Informationsflut nicht ermüdend wirkt.

Gefordert sind die Zuschauerinnen und Zuschauer trotzdem. Sie erfahren, das fast gleichzeitig mit der Gründung des Königreiches Saudi-Arabien im Jahr 1932 zum ersten Mal Erdöl entdeckt wurde. Das schwarze Gold wird seitdem aus den Tiefen der Erde gepumpt und treibt die Wirtschaft und Finanzmärkte auf deren Oberfläche an. „Öl ist die Mutter des Kapitalismus“, betont Lajos Talamonti.

Der Ölreichtum Saudi-Arabiens und der Hunger der USA nach fossilen Brennstoffen führen zu einem Tausch: militärische Hilfe gegen den sichereren Zugang zu Ölreserven. „Die USA werden offiziell Schutzmacht der Wahhabiten“, heißt es. Im Zeitraffer geht es durch die Geschichte. Schlaglicht auf die 1980er-Jahre: Die Mudschaheddin kämpfen – finanziert von den USA und Saudi-Arabien – in Afghanistan gegen die Sowjets. Schlaglicht aufs Jahr 1744: Der Prediger Abd al-Wahhab und der Stammesführer Ibn Saud gehen eine bis heute bestehende Allianz ein, die die Monarchie religiös legitimiert. Der Ölreichtum ermöglicht es den Wahhabiten heute, ihre Ideen zu exportieren – beispielsweise übers Fernsehen: „Aggressive Intoleranz wird in jeden Winkel der Erde geschickt.“

„Aggressive Intoleranz wird in jeden Winkel der Erde geschickt“, heißt es über die Wahhabiten

Während mit schwarzer Farbe das Wort „Blut“ an die Wand geschrieben wird, spielen die anderen mit den bunten Erdölprodukten Mikado – ein Bild für die Ignoranz, mit der die Politik Saudi-Arabiens aus westlicher Sicht bedacht wird. Seit der Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Kha­shoggi im Oktober 2018 im Konsulat in Istanbul ist der Blick jedoch kritischer geworden.

Auch Kronprinz Mohammed bin Salman – genannt MBS –, der verdächtigt wird, den Mord in Auftrag gegeben zu haben, kommt im Stück zu Wort. Er bestreitet, dass der Staat den Export eines extremistischen Islams fördere. „Saudi-Arabien ist das größter Opfer des Extremismus“, betont er. Der 33-Jährige inszeniert sich selbst gern als Erneuerer des Landes, hat aber nicht nur durch den Kha­shoggi-Skandal an Glaubwürdigkeit verloren.

Regine Dura und Werner Kroesinger verfolgen die Spur der Petrodollars bis nach Deutschland, wo bis vor Kurzem eine PR-Agentur die Monarchie beraten hat. Das Stück mag manchen Zuschauern und Zuschauerinnen zu plakativ erscheinen. Aber gerade bei diesem Thema erscheint die Direktheit nicht nur erfrischend, sondern notwendig.

Nächste Vorstellungen: 10., 11. und 12. Mai, jeweils 19 Uhr, HAU3