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Ist die Hex nun tot?

Mit dem Charme eines schlecht gelüfteten Jungszimmers: der Film „Hellboy – Call of Darkness“

Diesmal kein Ron Perlman: Hellboy, gespielt von David Harbour Foto: Universum

Von Fabian Tietke

Was beginnt wie eine normale Arbeitswoche im Leben von Hellboy, läuft ein wenig aus dem Ruder, als ein englischer, Riesen jagender Gentlemen Club versucht, ihn umzubringen, weil er die Verkörperung des Bösen ist, das zur Apokalypse führt, die Gentlemen dann aber zuvor von Riesen niedergekeult werden, Hellboy die Riesen selbst umbringen muss und währenddessen der Dämon Gruagach beginnt, Körperteile der mittelalterlichen Hexe Nimue wieder einzusammeln, die von König Arthur mit Excalibur zerstückelt wurde, aber trotzdem nicht tot ist. So weit der nachvollziehbare Teil der Handlung von „Hellboy – Call of Darkness“. Im weiteren Verlauf wird es konfuser, aber nicht interessanter, und immer wenn man gerade wegschlummert, macht es laut rums und man ist wieder wach.

Man kann mit einer konfusen Handlung auf zweierlei Weise umgehen: man kann die Handlung Handlung sein lassen und sie als loses Gerüst nehmen, um hübsche Actionszenen aneinanderzureihen und tolle Bilder zu produzieren. Oder man kann die Konfusion ausstellen, indem alle zehn Minuten ein Erklärbär auftritt, der die Vorgeschichte der wirren Handlung ausbreitet und zu ein paar halbseidenen Rückblenden überleitet. Als Guillermo del Toro Mitte der 2000er Jahre zweimal mit der Figur des saufenden, prügelnden Weltrettungsdämons spielen durfte, entschied er sich für den ersten Weg. Del Toro und Ron Perlman, der Hellboy damals spielte, brachten genug Selbstironie in die mackrig-wirre Comicvorlage, um daraus zwei wider Erwarten gute Filme zwischen Actionfilm und Fantasy­märchen zu machen. Die Produzenten und Neil Marshall entschieden sich im aktuellen Film für den zweiten Weg.

Mit der Filmproduktion des Comic-Verlages Dark Horse, der die Rechte an Hellboy hält, ist es so ähnlich wie mit der Hexe Nimue: Immer wenn man denkt, sie hätte sich erledigt, zuckt sie kurz – und liefert doch noch einen Film. Zehn Jahre nach dem zweiten Del-Toro-Hellboy-Film schien nun die Zeit gekommen, die Suppe noch mal warm zu machen. Weil Dark Horse del Toro aber nicht die gleichen Freiheiten geben wollte wie in den ersten beiden Filmen, winkte dieser ab und kurz darauf auch Ron Perlman. Also heuerte man den Fernsehroutinier Neil Marshall als Regisseur an, stellte ihm David Harbour als Protagonisten zur Seite, weil der eh gerade Erfolg hat in der Netflix-Serie „Stranger Things“, und verschwendete keinen weiteren Gedanken, aber dafür viel Geld an den Film, und genauso sieht der fertige Film dann auch aus. Der britische Filmmusiker Benjamin Wallfisch hat zu dem Film einen Soundtrack komponiert, der vor allem in einigen Heavy-Metal-Sequenzen den Charme eines schlecht gelüfteten Jungszimmers verbreitet.

Das Scheitern von „Hellboy“ ist beinahe tragisch, wirken die Hellboy-Filme von Guillermo del Toro doch wie die Vorläufer jenes Konzepts von Superheldenfilm, das die Filmproduktion von DC Comics gerade gegen den verquasten Bombast des Kinouniversums von Marvel wiederentdeckt. Eines Konzepts, das sich an Blockbustern orientiert wie solchen, an denen Produzent Lawrence Gordon in den 1980er Jahren beteiligt war, „Predator“ etwa oder „Stirb langsam“. Angesichts der Alternativen wirkt diese Rückkehr zur Einfachheit bewährter Konzepte fast innovativ. Die Figur Hellboy hätte dafür genügend Ansatzpunkte geliefert. Stattdessen haben sich Regisseur und Produzenten für die schlimmste Variante entschieden: verquastes Gerede über die Hintergründe der Handlung und seelenlose Actionszenen ohne Struktur.

„Hellboy – Call of Darkness“. Regie: Neil Marshall. Mit David Harbour, Milla Jovovich u. a. USA 2019, 120 Min.

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