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Archiv-Artikel

Kirchhof verspricht Instant-Steuererklärung

Mit einer „10-Minuten-Steuererklärung“ will die Union die Bürger begeistern. Regierung: Irreführung der Wähler

BERLIN ap/dpa ■ Der ins Unions-Kompetenzteam berufene Finanzexperte Paul Kirchhof hat für den Fall eines Wahlsiegs eine drastische Vereinfachung des Steuersystems angekündigt. Der Arbeitnehmer solle dann „nicht mehr zwölf Samstage pro Jahr“ für seine Steuererklärung benötigen, „sondern nur noch zehn Minuten“, sagte der ehemalige Verfassungsrichter der Bild-Zeitung. Die Union strebe ein einfaches und transparentes System an. Jede Steuererklärung solle auf einer DIN-A-4-Seite Platz haben. Die Reform werde zum 1. Januar 2007 in Kraft treten.

Die Steuererklärung der Zukunft beschrieb Kirchhof wie folgt: Das Finanzamt schicke dem Arbeitnehmer einen Vordruck oder Computerchip zu. Der Bürger prüfe die Angaben und sende Änderungen zurück. „Der Arbeitgeber gibt dann die Lohnsumme dazu, und der Computer erledigt den Rest.“

Das Bundesfinanzministerium konterte, die „Steuererklärung auf Knopfdruck“ sei bereits Realität. Kirchhof müsste wissen, dass unter anderem Unternehmen schon verpflichtet seien zur elektronischen Anmeldung der Lohnsteuer, so ein Ministeriumssprecher: „Nicht jede Ankündigung in Wahlkampfzeiten ist wirklich neu.“ Zur vollständigen Umsetzung der Reformen bedürfe es allerdings noch erheblicher Anstrengungen der Länder und Kommunen.

Das Ende der bunten Papp-Lohnsteuerkarten, die es in Deutschland seit den 80er-Jahren gibt, ist in der Tat bereits eingeläutet. Viele Beschäftigte, die ihre Lohnsteuerkarte für 2004 abgegeben haben, erhielten diese nicht mehr zurück. Für einen vollen Wegfall müssen nach früheren Ministeriums-Angaben unter anderem Identifikationsnummern vergeben sein. 2010 sollte dann – so hieß es Ende 2004 – eine vorausgefüllte, virtuelle Steuererklärung bundesweit möglich sein.

Die Deutsche Steuergewerkschaft nannte Kirchhofs Vorhaben „prinzipiell wünschenswert und technisch machbar“. Allerdings werde es zu einem „deutlichen Verlust an Steuergerechtigkeit“ führen, weil die Arbeitnehmer steuerlich kaum noch etwas absetzen könnten, sagte ihr Vorsitzender Dieter Ondracek der Neuen Osnabrücker Zeitung.

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