: Friede den Hütten, baut Paläste!
REENACTMENT Bremens Bürgermeister begeistert sich für die Rekonstruktion des Berliner Schlosses. Ein weiterer Wiederaufbau-Kandidat wäre sein heimischer Bischofspalast. Und Hamburg? Hätte den Dom
Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) ist kein Schwärmer. Umso bemerkenswerter, wie sich der nüchterne Jurist nun für das Berliner Schloss begeistert: „Was für ein Projekt und was für eine Geschichte!“, ruft es aus Böhrnsens Grußwort für die „Große Schau zum Wiederaufbau“ im Bremer Rathaus.
Böhrnsen hat das Pech, dass die Werbe-Wanderausstellung für das peinlichste Bauprojekt der BRD in Bremen startet. Man kann sich seine Mitbürger eben nicht aussuchen – und viele von ihnen engagieren sich für den Wiederaufbau der Hohenzollern-Residenz, in der Wilhelm II. seine Kriegstreibereien betrieb. Der Bremer Schloss-Freundeskreis spendet besonders fleißig und wurde mit der Premiere belohnt. Und der Bürgermeister? Steht in der Grußwortpflicht.
Auffällig bleibt, wie unkritisch Böhrnsen die Lobeshymnen übernimmt: Ein „großartiges Kulturvorhaben“ sei die Wiederrichtung der neobarocken Fassaden. Über eine halbe Milliarde Euro an öffentlichen Mitteln? Findet Böhrnsen gut ausgegeben. Zwar sind der neohistoristischen Wiederaufbau-Wut seit der Dresdner Frauenkirche allerorten Tür und Tor geöffnet, letzteres vorzugsweise in grandiosen Dimensionen – aber jetzt hat diese Lust am Feudalen auch einen in der Wolle gefärbten SPDler wie Böhrnsen erfasst. Oder hängt es mit seiner Zeit als 30-Tage-Präsident im Bellevue, ebenfalls eine Preußen-Residenz, zusammen, dass sich der Werftarbeiter-Sohn derart für diese Art von architektonischem Reenactment enthusiasmiert? Einmal Schlossherr, immer Schlossfan?
Die Schau prunkt, neben Aufnahmen von der 1950 vorgenommenen Sprengung, mit einem aus Gips gegossenen Preußen-Greifvogel. Der sei Teil eines „Korinthischen Adlerkapitells“, sagt ein Schild. Aber: „Schreiben Sie das bloß nicht!“, mahnt Hans-Georg von Bock und Polach. Der pensionierte Oberstaatsanwalt ist Vorsitzender des Bremer Freundeskreises, 100 Spender hat er um sich geschart. „Korinthische Adlerkapitelle“ gibt es trotzdem nicht. Nur preußische Baumeister, die das Wappentier ihrer Brötchengeber sämtlichen antiken Baukörpern aufpropften. Die BRD tut nun das Gleiche.
Von Bock und Polach nennt trotzdem kunsthistorische und städtebauliche Gründe für sein Schloss-Engagement: Der Berliner Dom sei so „monströs“, dass er ein Gegengewicht brauche. Eine Proportionswahrung, für die der „Palast der Republik“ offenbar nicht in Frage kam.
„Zukunftsweisende Konzepte“, wie Böhrnsen das Preußen-Revival-Projekt nennt, soll man auch vor Ort anpacken. Wie beim Braunschweiger Einkaufsschloss. 2016 jährt sich zum 200. Mal der Abriss des Bremer Erzbischof-Palastes, bis dahin wäre ein Wiederaufbau doch zu schaffen! Kleiner Nachteil: Die Ruinen befinden sich just unter Böhrnsens Amtssitz, dem 1909 errichteten „Neuen Rathaus“. Egal, der Trend geht zum Pontifikalpalast.
Im Oktober kommt die Schau nach Hamburg, wo sie ebenfalls für regionale Anstöße sorgen könnte. Wie wäre es mit dem Wiederaufbau des Doms? Ein wunderbares Thema bei Olaf Scholz‘ Suche nach neokonservativen Wählern. HENNING BLEYL