piwik no script img

Sieben Türen und viel Gelächter

RambaZamba-Intendant Jacob Höhne führt sein mit dem BE-Schauspieler Matthias Mosbach erweitertes Ensemble der Anders Begabten in der Theaterbetriebskomödie „Der nackte Wahnsinn“ auf neue freakige Höhen

Von Tom Mustroph

Dass an diesem Abend in der Kulturbrauerei etwas Besonderes geschehen würde, war früh zu erkennen. Entspannt stand Regisseur Jacob Höhne am Eingang und begrüßte die Zuschauer. Er flitzte nicht in die Garderoben, um seinen Schauspielern letzte Anweisungen zu erteilen. Er wirkte auch nicht übernächtigt, nicht gezeichnet von Streichungen und Umbaumaßnahmen noch nach der Generalprobe. Nein, Höhne strahlte Vertrauen in sein Ensemble und in das gemeinsam vorbereitete Werk aus.

Zu Recht. Schon länger nicht sah man die anarchische Kraft der RambaZamba-Crew so lustvoll durchbrechen und dabei auch noch so gekonnt in einem Handlungsbogen gerahmt sein wie bei dieser Inszenierung des Boulevard-Stücks „Der nackte Wahnsinn“. Michael Frayns punktgenaue Parodie des Alltags einer über die Provinz tingelnden Schauspieltruppe setzt Höhne mit feinem Gefühl fürs Timing in Szene.

Nicht zu bremsen: Urbanski

Vorweg platziert er noch eine kleine Posse. Seine Schauspieler tragen sieben mit Neonfarben bestrichene Türen und führen im Schwarzlicht einen Tanz vor. Der greift den Kampf um den Platz ganz vorn an der Rampe auf und erinnert zugleich wegen der geometrischen Formen unwillkürlich an Oskar Schlemmers „Triadisches Ballett“. Der Bezug ist eine Parodie, natürlich. Aber die Zeichen sind gesetzt, die Lachmuskeln angewärmt.

Ein Kunststück von Buster-Keaton-hafter Präzision liefert dann Sebastian Urbanski – bekannt geworden als erster Mensch mit Downsyndrom, der im Bundestag sprach – ab. Er richtet mit Gaffaband und immer wieder verrutschendem Blatt mit der Aufschrift „Regie“ seinen Regiestuhl ein. Da sitzt jeder misslingende Griff. Ein Kleinkunstkleinod.

Vom Regiestuhl aus wird Urbanski den ganzen Abend lang kommandieren, dirigieren, am Gesehenen verzweifeln und vor allem seine Lustmolch-Attacken vorbereiten. Frayn schrieb dieser Figur unerschöpflichen Hunger nach Sex zu. Urbanski lässt sich nicht bremsen, versucht im dritten Akt gar noch Tische und Stühle zu penetrieren.

Wichtigste Gegenspieler sind Matthias Mosbach, Aaron Smith und Hans-Harald Janke. Mosbach, 2017 vom Fachblatt theater heute in der Rubrik „bester Nachwuchskünstler“ gelistet – damals noch am Peymannschen BE, nicht unbedingt der Lieblingsaufenthaltsort von Kritikern – agiert als viril-schmierige Schauspielergestalt. Er verkörpert im Stück im Stück einen Makler, der zum Liebesabenteuer (Partnerin ist Nele Winkler) in eine für leer gehaltene Villa einfällt. Die ist natürlich nicht leer, sondern wird von der Haushälterin (Smith) bewohnt.

Zur Komplikation der Lage tritt auch noch der eigentlich aus Steuergründen im Ausland abgetauchte Besitzer (Joachim Neumann) samt Gattin (Hieu Pham) auf. Die sieben Türen, jetzt säuberlich in die Rahmen eingefügt, knallen heftig bei den diversen Versteck- und Verfolgungsszenen im Anwesen. Mosbach zeigt dabei sein Talent zum machohaften Silhouettenspiel, Smith brilliert im slapstickhaften Spiel mit einem Telefon und einem Teller voller Sardinen.

Unter den Darstellerinnen ragt Franziska Kleinert heraus

Backstage wiederum herrscht Janke, der in der Figur des Bühnenbildners immer wieder Dinge reparieren muss und dessen gewaltige Stimme durch pantomimische Schallwellen-Performances seiner Mitspieler köstlich verstärkt wird.

Unter den Darstellerinnen ragt Franziska Kleinert heraus. Als Intendantin entlässt sie munter Regisseur und unbotmäßige Spieler, und schickt jeder Aktion noch ein sardonisches Gelächter hinterher.

Die sehr eigenen Ausdrucksformen der Spielerinnen und Spieler des RambaZamba-Ensembles verhelfen dem schrillen Personal dieser Theaterklamotte zu existentieller Wildheit. Höhne, der das von seinen Eltern gegründete Theater vor zwei Jahren übernommen hat, bewies mit der Stückauswahl Mut und mit der Inszenierung handwerkliches Können. Die Integration von externen Spielern – neben Mosbach ist noch Leo Solter als um Gleichgewicht ringender Pianist dabei – gelingt. Sie lassen sich vom komödiantischen Furor ihrer losgelassenen Ensemble-Kollegen sichtlich mitreißen.

Nach der Pause zerfasert der Abend zwar etwas. Höhne lässt sich hier zu sehr von selbstreferentiellen Späßen leiten und teilt kleine Seitenhiebe auf freie Szene, Postdramatik und Live-Film im Theater auf. Das bremst. Insgesamt dennoch sehr munteres Theater für die gesamte Familie.

Wieder am 16. April, 19.30 Uhr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen