: Bio ist weniger gefragt als fair
WEIN Über 40 Produzenten haben sich weltweit für das Fairtrade-Siegel zertifiziert. Wurden 2005 nur 150.000 Liter verkauft, waren es vergangenes Jahr schon über 860.000
■ Wahl einer Vertretung der Arbeiter und Arbeiterinnen und des Managements. Die Vertretung entscheidet, wie die Fairtrade-Prämie verteilt wird. Die Prämie muss für Gemeinschaftsprojekte verwendet werden.
■ Zwangsarbeit und Kinderarbeit für Kinder unter 15 Jahren sind verboten. Bei Kindern über 15 Jahren darf die Arbeit die Schulbildung nicht beeinträchtigen.
■ Alle Arbeiter und Arbeiterinnen können einer Gewerkschaft beitreten. Alle müssen die gleichen Arbeitsbedingungen haben.
■ Die Löhne müssen gleich oder höher als die regionalen Durchschnittslöhne oder der lokale Mindestlohn sein.
■ Gesundheitsschutz und die Sicherheit der Arbeiter und Arbeiterinnen müssen gewährleistet sein. (af)
VON ANGELIKA FRIEDL
Früher wusste Oscar Bordegnon nie, wie viel Pesos die Kellerei für seinen Wein bezahlen würde. Manchmal sah er das Geld erst nach einem Jahr. Und je größer die Ernte, desto niedriger waren die Preise. Aber seit 2005 ist der argentinische Weinbauer aus Mendoza den Launen des Marktes nicht mehr so hilflos ausgeliefert. Damals wurde er Mitglied des Fairtrade-Projektes „Vina de la Solidaridad“. Die mittlerweile 26 Mitglieder schlossen einen Vertrag mit einer großen Kellerei und bekommen jetzt einen garantierten Mindestpreis für ihren Wein.
Über 40 Weinproduzenten schmücken sich weltweit mit dem Fairtrade-Siegel. Auch in deutschen Weinläden tauchen immer mehr fair gehandelte Weine auf, meist aus kleinen oder mittelgroßen Projekten. Wurden 2005 nur 150.000 Liter verkauft, waren es vergangenes Jahr schon über 860.000 Liter. „Interessanterweise akzeptieren die Käufer diese Weine mehr als Bioweine“, erklärt Michael Pleitgen, der Weinhändler über das richtige Sortiment, das Marketing und den Verkauf berät. Zwischen vier und zehn Euro müssen Rebenliebhaber durchschnittlich zahlen. Flaschen mit dem runden schwarz-blau-grünen Siegel gibt es nicht nur in Bioläden zu kaufen, sondern auch bei Discountern wie Lidl und Netto. Aktuell verhandelt Fairtrade Deutschland mit der Kaufhauskette Kaufhof über eine mögliche Zusammenarbeit.
Kleine Weinbauern wie Bordegnon haben nur in Kooperativen eine Chance gegen große Güter und Kellereien. Viele der Weinwirte kämpfen in Mendoza, einem der bekanntesten Weinanbaugebiete Argentiniens, um ihr Überleben. Denn die Stadt liegt in einer staubtrockenen Steppenlandschaft. Nur dank des Wassers aus den Anden ist Weinanbau überhaupt möglich. Oscar Bordegnon darf zum Beispiel nur an einem bestimmten Tag und zu einer bestimmten Stunde seinen Weinberg bewässern. Ein kompliziertes und höchst störanfälliges Bewässerungssystem, das noch von den Inkas stammt, verteilt das kostbare Nass an die Weinbauern. Bordegnons Kooperative musste einige Auflagen erfüllen, um das Fairtrade-Siegel zu erhalten. Die Mitglieder gaben sich eine demokratische Selbstverwaltung, Kinderarbeit ist verboten, die Arbeitsschutzbestimmungen sind einzuhalten und der jeweils geltende Mindestlohn ist zu zahlen. Ein weiterer Vorteil des Siegels ist die Prämie, die Produzenten aus den Lizenzeinnahmen der Fairtrade-Organisation bekommen. Einen Teil des Geldes verteilen die Mitglieder auf sich, aber eine bestimmte Summe zahlen sie immer an einen Notfall-Fonds. Auch Weinbauer Bordegnon konnte sich schon einige Träume erfüllen: wichtige Geräte für seinen Weinberg, einen Computer für die Kinder und einen Zaun um sein Haus.
Fair bedeutet aber nicht unbedingt bio. „Nur etwa die Hälfte der Weine mit dem Fairtrade-Siegel stammen aus ökologischem Anbau“, erklärt Pleitgen. Auch das Thema Nachhaltigkeit spiele keine Rolle bei den Kriterien für die Siegelvergabe. „Manche Länderorganisationen halten die Standards für zu lasch. Die Amerikaner sind daher aus Fairtrade International, dem Dachverband aller Siegelinitiativen, ausgestiegen.“ Die Kritiker monieren ebenfalls die hohen Kosten der Verwaltung und der Siegelvergabe. „Wenn Sie beim Lebensmittelhändler für ein Fairtrade-Produkt 50 Cent mehr zahlen, bekommt der Produzent davon vielleicht fünf bis zehn Cent“, sagt Pleitgen.
Aber trotz aller Kritik: Fair gehandelte Weine garantieren Kleinbauern einen zusätzlichen Verdienst zu ihrem oft kargen Einkommen. Eine Erfolgsgeschichte liefern vor allem südafrikanische Weinbauern, die mit 90 Prozent den Löwenanteil am deutschen Markt besitzen. So ist zum Beispiel „Thandi“, was übersetzt „die Liebe nähren“ heißt, eines der wenigen von Schwarzen geleiteten Weingüter in Südafrika. 250 Farmerfamilien sind mit über 50 Prozent an der Gesellschaft beteiligt. Sie pflegen, lesen und keltern klassische, edle Rebsorten wie Shiraz, Cabernet Sauvignon oder Chardonnay, eine der berühmtesten Weißweintrauben der Welt.