: Der 1. Mai: Wird alles anders?
Kreuzberg steht nicht mehr im Zentrum der traditionellen linksextremen Demonstrationen
Der 1. Mai rückt näher und alles deutet in diesem Jahr darauf hin, dass Kreuzberg nicht mehr im Zentrum der traditionellen linksextremen Demonstration steht. Auf Plakaten wird schon länger zum „Revolutionären 1. Mai 2019“ am Wismarplatz in Friedrichshain (ab 18.00 Uhr) aufgerufen. Motto: „Gegen die Stadt der Reichen“. Die gleiche Ankündigung ist im Internet zu finden.
Bei der Polizei wurde die Demonstration in Friedrichshain zunächst nicht angemeldet. Das entspricht dem Vorgehen der vergangenen Jahre. Die Organisatoren verweigerten die vorgeschriebene Anmeldung, weil sie nicht mit der Polizei über die Strecke der Demonstration verhandeln wollten.
Zuvor war schon auf der linksradikalen Internetseite Indymedia in diese Richtung diskutiert worden. Wegen des ausufernden Straßenfestes mit Zehntausenden Partybesuchern sei Kreuzberg für die Demonstration nicht mehr geeignet, hieß es. Gleichzeitig spekuliert man möglicherweise in Friedrichshain auf die Nähe zu den früher besetzten und nun umstrittenen Häusern in der Rigaer Straße.
Der Abend des 1. Mai verlief im vergangenen Jahr in Kreuzberg so wenig gewalttätig wie lange nicht. Die linksautonome Demonstration mit Tausenden Teilnehmern endete noch im Hellen ohne den sonst üblichen großen Gewaltausbruch.
Mehr Zulauf durch Mietenproblematik
In diesem Jahr könnte der Protest wegen der Debatten um steigende Mieten und Enteignungen aber wieder mehr Zulauf finden. Zudem heizte ein Polizeieinsatz gegen eine spontane Ladenbesetzung in der Kreuzberger Wrangelstraße am Samstag (taz berichtete) die Stimmung in der Szene auf. Die Besetzer sprachen am Montagabend im Internet von „massiver Polizeigewalt“ und einem „klaren Rechtsbruch“. Weiter hieß es: „Die Falschaussagen der Polizei, mit der sie im Nachgang die brutale Räumung legitimieren wollen, zeigt, dass sie sich im rechtsfreien Raum bewegen.“
Zwei weitere linke Demonstrationen rund um den 1. Mai stehen schon fest. Erneut wollen am Abend des 30. April zahlreiche Menschen durch Wedding ziehen. „Unsere Häuser – Unser Kiez – gegen die Stadt der Reichen“, lautet die Ankündigung. Und am Mittag des 1. Mai ist wieder eine teils satirische Aktion im Villen-Stadtteil Grunewald geplant. Im vergangenen Jahr liefen dort rund 3.000 Demonstranten am Nachmittag durch die Straßen. Einige bemalten, beklebten und beschädigten Autos und Häuser, was Anwohner empörte und Ermittlungen der Polizei auslöste.
Unabhängig von den Demonstrationen wird Kreuzberg am Abend und am Morgen des 2. Mai mehr mit den Folgen des „Myfest“, das sich von einer Kiezparty zu einem Anziehungspunkt für Tausende trinkfreudiger junger Menschen entwickelt hatte, kämpfen. Zwar bemüht sich das Bezirksamt, das Partygeschehen zu reduzieren. Es soll weniger Musikbühnen und mehr politische Reden geben. Ob diese zaghaften Beschränkungen Zehntausende Partytouristen beeindrucken, ist ungewiss. (dpa)
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