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Fake News nur Fake News?

Der Journalist Alexander Sängerlaub erklärt, wie wir unsere Öffentlichkeiten stärken können, on- wie offline

Alexander Sängerlaub, Jahrgang 1986, ist Journalist und leitet das Projekt „Desinformation in der digitalen Öffentlichkeit“ der Stiftung Neue Verantwortung.

Interview Dominik Hokamp

taz am Wochenende: Herr Sängerlaub, angesichts der Debatte um Fake News, welche Gefahr droht uns für die Europawahl?

Alexander Sängerlaub: Der Einfluss oder die Zahl messbarer Desinformation war sowohl zur Bundestagswahl als auch im Trump-Wahlkampf nicht so hoch wie erwartet. Die größere Herausforderung ist, wie die Öffentlichkeit mit Populismus umgeht, der sich an Fake News oder Desinformation bedient. Gleichzeitig muss sich aber auch der Journalismus fragen, wie er populistische Themen aufnimmt und verarbeitet.

Man streitet über Fake News, die Wissenschaft findet aber kaum Belege dafür?

Es gibt eine Disruption im Mediensystem, und Öffentlichkeit wandelt sich. Zeitgleich fragen sich Medienunternehmen, wie sie in dieser digitalen Öffentlichkeit überhaupt bestehen sollen. Ihre Auflagenerlöse sinken und die Anzeigenerlöse fließen zu Plattformen wie Google und Facebook. Zudem befinden wir uns in einer Krise der politischen Repräsentanz. Populisten liefern uns dort einfache Antworten und im Zusammenspiel wird es gefährlich: wenn auf Facebook eine Nachricht von der taz genauso aussieht wie eine von Russia Today, obwohl die inhaltliche Qualität jedoch eine ganz andere ist.

Helfen da die angekündigten Werbetransparenzregister von Facebook und Google?

Dazu müssten sie überhaupt online gestellt werden. Nach Cambridge Analytica ist das Gegenteil von dem passiert, was man eigentlich gedacht hätte: Die Plattformen haben wie erschrockene Austern ihre Datenschotten dicht gemacht und große Teile der Öffentlichkeit und Forschung ausgeschlossen.

Könnten die Konzerne kooperativer sein?

Man wäre gut beraten, offener zu agieren und die Teile der Gesellschaft miteinzubinden, die den Plattformen helfen können, Lösungen zu erarbeiten.

Und transparent ihre Algorithmen offenlegen?

Wir als Gesellschaft müssen heute verstehen, dass es nicht nur Plattformen sind, sondern die wichtigsten Medienunternehmen des 21. Jahrhunderts. Dieser Verantwortung müssen sie auch gerecht werden.

Sind also, plakativ gefragt, die sozialen Medien am Rechtsruck in Europa schuld?

So monokausal ist es nie. Sie werden aber ihre Rolle spielen. Ich würde dazu raten, sich nicht mit Angst in die Europawahl zu stürzen, sondern sich darauf zu besinnen, dass es hier in Deutschland eigentlich eine große Begeisterung für die Idee Europa gibt. Die gilt es mit Leben zu füllen, dann wird man eine gute Antwort auf Populisten haben.

taz lab: 16.15 Uhr, taz-Konferenzraum

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