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Archiv-Artikel

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Seit 15 Jahren gibt es die Genossenschaft Selbstbau. Angefangen hat alles mit der Instandsetzung zweier Häuser in der Rykestraße. Heute betreuen die Handwerker des Genossenschaftsgedankens auch soziale Projekte

VON UWE RADA

Pit Weber erinnert sich genau, wie das war vor 15 Jahren. „Häuser zu kaufen und in Selbsthilfe zu sanieren war ungewöhnlich in einer Zeit, in der man Häuser vorwiegend besetzte.“ Doch der 40-Jährige weiß auch, was sich seitdem verändert hat. Während in den ehemals besetzten Häusern kaum noch einer der Erstbesetzer lebt, sind die Selbsthelfer in den Häusern von Webers Genossenschaft geblieben. „Unsere Häuser sind wie Inseln“, sagt er. Es klingt fast, als wolle er sagen: wie Felsen in der Brandung. Doch das wäre zu dick aufgetragen.

Pit Weber ist keiner, der dick aufträgt. Auch nicht die Genossenschaft, deren Geschäfte er seit 1996 leitet. Selbstbau nennt sie sich und wird morgen 15 Jahre alt. Eine Erfolgsgeschichte also, aber eine mit Bedacht.

„Angefangen hat alles mit zwei Häusern in der Rykestraße, die zum Abriss standen“, sagt Weber. Die Häuser wurden in Eigenregie saniert, mit Selbsthilfemitteln des Landes Berlin. Als Rechtsform wählten die Selbsthelfer eine Genossenschaft. Sie wollten keine Einzeleigentümer werden, sondern gemeinsam entscheiden, sanieren, verwalten.

„Natürlich standen wir bald vor der Frage, ob wir wachsen wollen oder nicht“, erinnert sich Weber. Die Mitglieder der Genossenschaftshäuser haben sich für ein Wachstum entschieden, dessen Philosophie man so umschreiben kann: Kein neues Projekt darf den Bestand der bisherigen gefährden. Kontrolliertes Wachstum also. Heute hat Selbstbau 16 Häuser, also etwa ein neues pro Jahr. Andere Immobilienkarrieren sind steiler verlaufen, steiler nach oben, aber auch steiler nach unten.

Immobilien? Karriere? Natürlich würde einer wie Weber solche Worte nicht in den Mund nehmen, obwohl er Volkswirtschaft studiert hat und die Genossenschaft inzwischen auch Haushandwerker beschäftigt, Reinigungskräfte und Hausverwalter. Am selbst verwalteten Charakter der Selbstbau hat das aber wenig ändern können. Das Wort führen die 350 Mitglieder, und nur manchmal kommt es zum Konflikt mit den „Hauptamtlichen“ im Büro der Rykestraße 13. Zum Beispiel wenn eine Selbsthelfergruppe nach Abschluss der Sanierungsarbeiten meint, einen Rechtsstreit mit einem Architekten durch alle Instanzen führen zu müssen. „Diesen Konflikt zu lösen war nicht einfach“, sagt Weber. Nachdem auf einer Mitgliederversammlung die Fetzen flogen, scheinen die Wogen inzwischen aber geglättet zu sein. Auch das gehört zu einem Fels in der Brandung.

Was nicht mehr zur Zeit gehört, ist das klassische Selbsthilfeprojekt, sponsored by Land Berlin. „Dass die öffentliche Hand Geld dafür gibt, dass sich Leute zwei bis drei Jahre an die Renovierung machen und danach eine günstige Miete von drei Euro kalt haben, gehört der Vergangenheit an“, weiß auch Pit Weber. Zwar haben er und seine Mitstreiter noch einige Mittel akquirieren können, doch das Hauptaugenmerk gilt nun neuen Projektideen.

Das jüngste davon führte die Genossenschaftler inzwischen weit weg von Prenzlauer Berg und Friedrichshain bis nach Karlshorst. In einer leer stehenden Schule dort soll generationenübergreifendes Wohnen ermöglicht werden. „Der Gedanke kam von den Leuten aus den andern Häusern“, sagt Weber. „Die haben festgestellt, dass das Thema altersgerechtes Wohnen auf der Tagesordnung steht.“ So wächst Selbstbau weiter, langsam und immer wieder entlang neuen Herausforderungen. Wenn das kein Grund zum Feiern ist.