Fliege obenauf

Es gibt nur eine Andere Bibliothek: Das Oberlandesgericht Frankfurt hält nicht viel von Spielen mit Hut und Spazierstock und untersagt Hans Magnus Enzensberger, die Frankfurter Allgemeine Bücherei herauszugeben

Als Hans Magnus Enzensberger Ende vergangenen Jahres beschloss, einfach mal so, einfach weil er den Zeitpunkt für ideal hielt, einfach, weil er „dem Spiel“ ein Ende machen wollte und einfach unter Missachtung aller laufenden Verträge, seine Tätigkeit als Herausgeber der Anderen Bibliothek beim Eichborn Verlag einzustellen, stellte sich sofort eine Frage: Gibt es in Zukunft zwei Andere Bibliotheken oder gar keine mehr?

Es schien auf zwei herauszulaufen: Der Eichborn Verlag pochte auf laufende Verträge und Enzensberger plante zusammen mit der FAZ und dem Deutschen Taschenbuchverlag die Frankfurter Allgemeine Bücherei, in der zwölf Bücher pro Jahr erscheinen sollten und die sich höchstens an den Umschlägen von der Anderen Bibliothek bei Eichborn unterscheiden ließ. Dass der Eichborn Verlag auch das Erscheinen der Anderen-Bibliothek-Doublette nicht einfach so hinnehmen und auf dem Rechtsweg dagegen vorgehen würde, war offensichtlich.

Mit Erfolg: Das Oberlandesgericht Frankfurt hat am Donnerstag unter Androhung eines Ordnungsgelds von 250.000 Euro entschieden, dass Enzensberger die von ihm und seinem alten Partner Franz Greno konzipierte Frankfurter Allgemeine Bücherei nicht herausgeben darf. Auch seine außerordentliche Kündigung beim Eichborn Verlag ist nicht rechtskräftig und dürfte noch weiter vor Gerichten verhandelt werden.

Das Projekt Frankfurter Allgemeine Bücherei, das mit dem neuen Roman „Großmama packt aus“ der New Yorker Schriftstellerin Irene Dische beginnen sollte, werde vorerst zurückgestellt, erklärte daraufhin die FAZ, die sich wohl etwas vorschnell mit Enzensberger eingelassen hat und nun zu Recht einen langen Rechtsstreit zwischen Eichborn und Enzensberger befürchtet.

Und Enzensberger? Versteht die Entscheidung nicht, erkennt sie aber an, nicht ohne ein Wehklagen anzuheben und Krokodilstränen zu vergießen: „Die Gerichtsentscheidung hat die Rechte und Interessen der beteiligten Autoren und Übersetzer massiv beeinträchtigt.“

Daran trägt aber auch Enzensberger nicht wenig Mitschuld, denn so ganz unabsehbar war nicht, dass es juristische Probleme mit der Frankfurter Allgemeinen Bücherei geben könnte. Einfach Hut ab, Spazierstock raus und ein bisschen spielen – so einfach ist das eben doch nicht in einer Welt, in der es Verträge gibt. Erst einmal in die Röhre schauen jetzt aber tatsächlich die Autoren und Autorinnen, deren Bücher zum Teil schon gedruckt worden waren und die sich jetzt neue Verlage suchen müssen.

So sieht es wohl so aus, als ob die Frage nach zwei Anderen Bibliotheken oder keiner fürs Erste sich gänzlich anders beantwortet: Es gibt nur eine Andere Bibliothek, und die erscheint zumindest bis zum Vertragsende 2007 beim Eichborn Verlag.

GERRIT BARTELS