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Archiv-Artikel

DAS HAMBURGER URTEIL GEGEN MOTASSADEQ ÜBERZEUGT NICHT Al-Qaida-Mitglied dritter Klasse

Waren es nur Freundschaftsdienste? Oder waren es bewusste Beiträge zum Terror der Hamburger Al-Qaida-Zelle? Mounir al-Motassadeq hat Dinge getan, die an sich nicht strafbar sind, er hat eine Wohnung aufgelöst, er hat Geld überwiesen. Wenn er aber vom tödlichen Treiben seiner Freunde um Mohammed Atta wusste, dann war er Mittäter, dann war auch er Terrorist. Dieses Grunddilemma hat auch das gestrige Urteil des Hamburger Oberlandesgerichts nicht auflösen können.

Im Gegenteil: Gerade weil Richter Ernst-Rainer Schudt einen Mittelweg zwischen den beiden Polen gehen wollte, wirkt das Urteil arg konstruiert und damit nicht überzeugend. Motassadeq soll Mitglied der Atta-Zelle gewesen sein, aber nichts von deren konkreten Anschlagsplänen gewusst haben. Motassadeq wäre dann so etwas wie ein Mitglied zweiter oder dritter Klasse gewesen. Ein Mitglied, das ausgerechnet vom einzigen Zweck der Zelle, der Durchführung der selbstmörderischen Anschläge von New York und Washington, nichts wusste. Ein seltsames Konstrukt. Da wäre eine Verurteilung Motassadeqs wegen „Unterstützung“ einer terroristischen Vereinigung deutlich nachvollziehbarer gewesen. Allerdings hätte die Strafe dann höchstens fünf Jahre betragen dürfen.

Erst vor wenigen Wochen war Motassadeqs Landsmann Mzoudi bei ganz ähnlicher Anklage rechtskräftig freigesprochen worden. Man könnte also den Eindruck gewinnen, die deutsche Justiz wolle zumindest einen „Täter“ verurteilen, um sich international nicht lächerlich zu machen.

Doch was kann Motassadeq dafür, dass die nachweislichen Täter tot oder geflohen sind oder wie Ramsi Binalshibh von den USA unter Verschluss gehalten werden? Motassadeq ließ sich zwar in Afghanistan militärisch ausbilden, doch was seine Ausweisung rechtfertigen mag, genügt nicht, ihm die Beteiligung an einem der größten Terroranschläge unserer Zeit anzuhängen.

Für einen, der wie Motassadeq nach den Anschlägen gerade nicht abtaucht und brav in Hamburg bleibt, der Kisten Unterlagen von Atta im Keller hat, sie aber nicht vernichtet, muss bei derart dünner Beweislage der alte Grundsatz gelten: Im Zweifel für den Angeklagten. CHRISTIAN RATH