: „Totengräber“ Eichel soll Brief zurückziehen
Der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel fordert, Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) solle seinen Brief zur Lage Bremens zurücknehmen – sonst „läuft alles auf eine Auflösung des Stadtstaates hinaus“. Der Bremer Finanzsenator (parteilos) plädiert für mehr Länderhoheit in Steuerfragen
Bremen taz ■ Der am Samstag von der taz veröffentlichte Brief von Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) zur Bremer Finanzlage hat am Wochenende für großen Wirbel gesorgt. Er betätige sich als „Totengräber des Landes Bremen“, schrieb der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel postwendend an Eichel. In dem an den „lieben Hans“ adressierten gerichteten Brief heißt es wörtlich: „(…) bitte ich Dich um die Zurücknahme dieses unseriösen Schreibens“. Der Sprecher des Bremer Finanzsenators bestätigte unterdessen dem Kurier am Sonntag, Eichels Kritik an den hohen Bremer Investitionen sei nicht neu.
Hickel rechtfertigt die hohen Investitionen mit dem Hinweis, dass „vor allem die wissenschaftsfundierte Infrastrukturpolitik“ zukunftsweisend sei. Die Feststellung des Bundesfinanzministers, dass solche Investitionsausgaben die Einnahmeseite des Bremer Städtestaates nicht sonderlich verbessern, bestreitet Hickel allerdings nicht.
Nach Auffassung des Bundesfinanzministeriums leisten die Investitionen keinen Beitrag zur Sanierung, weil „jede Sanierungshilfe für einen öffentlichen Haushalt letztlich immer auf eine deutliche Verringerung der jährlichen Neuverschuldung angelegt sein“ müsse. Weil die Bremer Sanierungspolitik dies nicht gewesen sei, so heißt es im Eichel-Brief, sei der „inzwischen aufgelaufene Schuldenstand (…) Ausdruck haushaltspolitischer Fehlentscheidungen“, die Bremer Misere also selbst verschuldet.
Dem hält Hickel entgegen, „die Ursache“ der trotz Sanierungsmilliarden weiter gestiegenen Schulden liege „in der inadäquaten Verteilung der Finanzmassen zwischen den Gebietskörperschaften“. Auf diese Debatte über die Schuldfrage lässt sich der Bundesfinanzminister indes überhaupt nicht ein, im Gegenteil: Er verweist in seinem Schreiben auf das Maßstäbegesetz, das auch mit den Stimmen Bremens beschlossen wurde und eine „Daueralimentierung“ eines Bundeslandes verbiete.
Auch die „Verteilung der Finanzmassen zwischen den Gebietskörperschaften“ ist im Bundesrat mit den Stimmen Bremens bis 2019 geregelt worden. Der Bremer Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) bezeichnete eben jenen Finanzausgleich am Sonntag im Weser Report als „nicht stadtstaatengerecht“. Der Pakt müsse „verändert“ werden. Das Haushaltsnotlageland Bremen müsse darüber hinaus eigenständig bestimmte Steuern senken dürfen.
Hickel wiederum erwartet in seinem Schreiben nicht explizit, dass der Bundesfinanzminister die zwischen Bund und Ländern einvernehmlich ausgehandelte und geltende Rechtslage kritisiert. Dennoch schließt sein Brief an den Finanzminister mit der Feststellung: „Wird die großteils unzutreffende Kritik in dem Schreiben aus Deinem Hause zu Ende gedacht und eine angemessene Besserstellung des Landes Bremen im föderalen Finanzsystem verweigert, dann läuft alles auf eine Auflösung des Stadtstaates hinaus.“
kawe