nebensachen aus rom: Silvio, der Playboy mit dem umwerfenden Charme
Die Korrespondentin einer deutschen Tageszeitung in Rom sitzt auf gepackten Koffern. Keine Lust hat sie mehr, den x-ten Artikel über Berlusconi zu schreiben, über seinen Dauerärger mit der Justiz oder die Gesetze, die er sich hinfingert, um diesen Ärger loszuwerden. Genauso geht es ihrem Kollegen in Mailand, der demnächst wieder in Deutschland arbeitet. „In Italien wirst du doch über kurz oder lang zum Zyniker“, bilanziert er knapp seinen Unwillen, die immer gleichen Geschichten zu schreiben.
Das hat Berlusconi nicht verdient. Wie kaum ein anderer Politiker bemüht er sich, die Berichterstatter bei Laune zu halten. Gewiss, Fragen lässt er bei seinen Pressekonferenzen kaum zu, aber die Antworten, die er ungefragt gibt, sind vom Feinsten. Die Deutschen erinnern sich noch gut an den Auftritt im Europaparlament, als er dem Abgeordneten Martin Schulz einen Zweitjob als „Kapo“ anbot, und damit Schröders Sommerurlaub in Italien vermasselte, Schulz aber zu EU-weiter Popularität verhalf.
Viel wurde damals über die geheimen Motive Berlusconis gerätselt. Warum macht er das? Was hat er vor? Dabei ist die Antwort ganz simpel: Der Mann ist einfach so. Er hat es auch nicht speziell mit den Deutschen. Zuletzt waren die Finnen dran. Als Berlusconi kürzlich die Europäische Agentur für Nahrungsmittelsicherheit in Parma eröffnete, goss er den Skandinaviern reichlich ein – die nämlich hatten mit Italien jahrelang um den Sitz der Agentur gerungen.
EU-Kommissionspräsident Barroso freue sich gewiss, dass er jetzt zur Zeremonie Parmaschinken kriege „statt geräuchertem Rentierfleisch“, griente Italiens Regierungschef. Und dann weihte er noch das Publikum in sein Geheimnis ein, wie er den Finnen die Agentur abgeluchst habe: Gegenüber der Staatspräsidentin habe er seine unwiderstehlichen Künste als „Playboy“ angewandt, so Silvio augenzwinkernd.
Für die Finnen war das neu, für die Italiener nicht. Schließlich hatte Berlusconi schon den dänischen Ministerpräsidenten Anders Fogh Rasmussen schwer in Verlegenheit gebracht. Der Rasmussen, das sei ja ein echter Gutausseher, den könne er sich gut als Geliebten seiner Frau Veronica vorstellen, erklärte Berlusconi vor dem konsternierten Staatsgast und der Presse – die damals rätselte, ob Silvios Schatz ein Verhältnis mit dem Philosophen Massimo Cacciari hat. Beschweren könnte sich Berlusconi kaum über seine Frau: Der Playboy, der Italien regiert, gerät selbst schnell in erotische Wallung. Als er mit Putin in Russland eine Fabrik besichtigte, machte er sich überfallartig an zwei Arbeiterinnen ran, mit einer wenig protokollgemäßen und offensichtlich unerwiderten Kussattacke.
Dennoch weiß der Mann sich zu benehmen und wie man Fehler ausbügelt. Wie er die finnische Staatspräsidentin becircte – das sei doch bloß ein Scherz gewesen, schob er ein paar Tage nach dem diplomatischen Fauxpas und den Protesten aus Helsinki nach. Dann hielt er ein Foto der Staatschefin hoch – und fragte galant: „Oder können Sie sich vorstellen, dass ich mich an so eine ranmache?“ MICHAEL BRAUN
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