: Der Protogalaktische
Real Madrid holt Zinédine Zidane als Trainer zurück. Dieses Mal muss der Franzose nicht ein großes Team führen, sondern muss eines neu komponieren
Aus Madrid Florian Haupt
„Na gut, ich weiß, es ist ein besonderer Tag für alle“: Der erste Satz von Zinédine Zidane als neuer alter Trainer von Real Madrid wird kaum in die Geschichte der größten Spieleröffnungen der Fußballgeschichte eingehen. Aber das war natürlich ganz egal. Was zählte, war allein, dass er wieder da ist. Zidane, Heilsbringer für seinen krisengeschüttelten Verein, einmal mehr.
Zidane, der Protogalaktische. Sein Volleytor zum 2:1-Sieg im Champions-League-Finale 2002 wird wohl bis in alle Ewigkeit als Paradedenkmal des königlichen Eleganzstrebens gelten, und entgegen mancher Erwartung hat er den göttlichen Ruf während seiner Trainerzeit von Januar 2016 bis Juni 2018 nicht ruiniert, sondern nur in noch elegischere Höhen getrieben. Zidane ist Real Madrid, und auch wenn er in seiner zweiten Amtszeit krachend scheitern sollte – er wird es trotzdem immer bleiben. Aber bisher ist es bei ihm ja sowieso immer noch gut gegangen.
Dafür allerdings wird nun mehr Projektarbeit vonnöten sein als beim ersten Mal. Da konnte er im Wesentlichen auf ein eingespieltes Team zurückgreifen, dem er ein paar Reparaturen sowie den Impuls seiner Aura verpasste. Nun gilt es eine neue Mannschaft aufzubauen.
Die Schlüsselfiguren seiner drei Champions-League-Siege sind teils deutlich über 30 Jahre alt – und wie er während seiner Wiedervorstellung mehrfach betonte, hat Zidane nicht vergessen, dass schon in seiner letzten Saison nur noch der Europapokal eine Entwicklung überstrahlte, in der Real zu wöchentlichem Leistungsabruf nicht mehr in der Lage war. Mit 17 Punkten Rückstand beendete er damals die Liga, jetzt sind es 12, und wo man nun im heimischen Pokal am FC Barcelona scheiterte, passierte das unter Zidane sogar gegen Außenseiter Leganés. „Ich weiß, wo ich bin, und welche Fehler ich gemacht habe“, sagte Zidane. Die Botschaft ist klar, er will diese Fehler nicht noch mal machen: „Wir werden Dinge verändern.“
Nach einer gewohnt salbungsvollen Einführung durch Präsident Florentino Pérez machte der Trainer am späten Montagabend einen angespannten, aber auch energischen Eindruck. Dass ihm die verbleibenden elf Saisonspiele mangels verbliebener Titelchancen als Casting für die Zukunft dienen werden, ist evident. Ebenso dass bei aller Loyalität („Ich konnte nicht Nein sagen zu dem Klub, den ich liebe“) auch erweiterte Kompetenzen zu dem Rettungspaket gehören, mit dem er Pérez aus der größten Bredouille seiner aktuellen Amtszeit hilft.
Zidane wird den anstehenden Umbruch in einem Maße gestalten können, wie er es bei einem Verbleib im Sommer nicht gedurft hätte: das ist sein Gewinn beim Raus-Rein des letzten Dreivierteljahres. Nicht wiederholen dürften sich also Fälle wie der von Gareth Bale, den Zidane verkaufen wollte, Pérez aber im Verein hielt. Der Waliser steht vor seinen letzten Wochen in Madrid.
Klubchef Florentino Perez
Offener ist die Lage bei Toni Kroos, 29. Der deutsche Mittelfeldregisseur war unter Zidane, der in ihm Züge seiner selbst sah, der meisteingesetzte Feldspieler nach dem mittlerweile verkauften Cristiano Ronaldo. Zuletzt ist er jedoch massiv ins Kreuzfeuer der klubnahen Presse gerückt. Findet er unter Zidane wieder zu gewohntem Niveau, dürfte es an der Beziehung zum Trainer wie dessen bevorzugtem Spielstil nicht scheitern. Kroos’ Vertrag in Madrid läuft noch bis 2022.
Zidanes alte Wirkungszone gehört neben dem Ronaldo-losen Angriff sowieso zu den spannendsten Baustellen, denn Weltfußballer Luka Modric ist auch schon 33. Das Szenario einer Rückkehr von James Rodríguez vom FC Bayern bleibt dennoch unwahrscheinlich. Zu grundsätzlichen Hindernissen – die Münchner verfügen über eine verbindliche Kaufoption – gesellt sich nun der Umstand, dass Zidane nie wirklich auf ihn setzte. James ging seinetwegen. Allerdings könnte seine Position im Kader frei werden, wenn der zuletzt wegen Disziplinlosigkeiten ausrangierte Isco unter Zidane nicht die Kurve kriegt.
Real hat keinen Sportdirektor, was Zidanes Einfluss umso größer macht. Es ist der Reiz wie die Herausforderung seiner zweiten Amtszeit: ein Team nicht nur zu führen, sondern auch zu komponieren. Ob er es genauso gut kann? „Für uns alle kommt der beste Trainer der Welt zurück; wir sind stolz, dich wieder hier zu haben“: so hatte der dankbare Pérez ihn begrüßt. Erst in ein paar Jahren wird man wissen, ob der Coup vom Montag tatsächlich der Triumph war, als den ihn alle erst mal verstanden.
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