: Geklagt, um zu bleiben
Eine 1970 verurteilte Palästinenserin soll Deutschland verlassen. Dagegen zieht sie vor Gericht
Von Jannis Hagmann
Der Druck war enorm: Die israelische Regierung hatte sich eingeschaltet, der Zentralrat der Juden, der US-Botschafter: Eine geplante Veranstaltung in Kreuzberg müsse verboten werden, auf der die Palästinenserin Rasmea Odeh sprechen sollte, die 1969 an einem Anschlag in Israel beteiligt gewesen sein soll.
So kam es: Sie dürfe nicht auftreten, teilte die Innenverwaltung der 71-Jährigen am Freitag vor Veranstaltungsbeginn mit. Auch anderweitig darf sich Odeh in Berlin nun nicht mehr politisch äußern. Bis Freitag hat sie Deutschland zu verlassen.
Während sich viele erleichtert zeigten, sehen andere die Meinungsfreiheit in Gefahr. Gegen den Bescheid der Ausländerbehörde hat Odehs Anwältin Nadija Samour nun Klage eingereicht. Bis Freitag muss das Verwaltungsgericht entscheiden, ob Odeh vorerst im Land bleiben darf. Erst dann wird endgültig über den Entzug ihres Visums entschieden.
In der Begründung für den Visumsentzug trägt die Ausländerbehörde dick auf: Allein Odehs „Anwesenheit führt zu erheblichen Gefahren für die Gesellschaft“, heißt es in dem Schreiben vom Freitag. Odeh plane, bei einer „Veranstaltung des antisemitischen Bündnisses BDS aufzutreten“, und es sei zu befürchten, dass sie „gegen Personen jüdischen Glaubens zum Hass“ aufstacheln werde. Ihre Anwesenheit schaffe „ein Klima, in dem es gut sei (sic), dass Juden sterben, mithin ein Klima von Hass und Mordlust“.
Die Gefahr, die von Odeh ausgehen soll, erkennt Samour nicht: Zwar habe die Boykottbewegung BDS die Veranstaltung beworben, das Bündnis sei aber nicht Veranstalter gewesen. Ohnehin handele es sich bei BDS um eine legale Organisation. Die Antisemitismusvorwürfe gegen Odeh würden zudem nicht belegt.
Auch Odehs frühere Verurteilung wegen Terrorismus begründe nicht, dass heute eine Gefahr von ihr ausgehe. „Ein Visum aufzuheben aufgrund einer Sache, die so weit in der Vergangenheit passiert sein soll, ist juristisch gesehen ein völliges Novum“, sagt Samour, „zumal es um ein erfoltertes Geständnis geht.“ Nach einem Anschlag 1969 in Israel, bei dem zwei Studenten getötet wurden, verurteilte ein Militärgericht Odeh zu lebenslanger Haft. Auch soll sie an einem fehlgeschlagenen Anschlag beteiligt gewesen sein. 1979 kam sie vorzeitig frei und gab an, gefoltert worden zu sein. Ihr Geständnis widerrief sie.
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