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Franziska Seyboldt PsychoDenk dochmal positiv!

Es gibt kaum einen anderen Satz, der Menschen so zuverlässig aggressiv macht wie dieser: „Denk doch mal positiv.“ Deine Beziehung ist gescheitert? Denk doch mal positiv! Du hast im Leben nicht erreicht, was du wolltest? Denk doch mal positiv! Auf dem Schreibtisch stapelt sich die Arbeit? Denk doch mal positiv!

Eigentlich braucht es gar keine Beispiele, der Satz nervt immer. Vor allem für Menschen mit Depressionen ist er ein Schlag ins Gesicht. Suggeriert er doch, dass es total easy ist, mal eben umzudenken – man muss es nur wollen. Alles eine Frage der Selbstbeherrschung und Disziplin. Schlimmer sind nur noch Poster mit Sinnsprüchen: Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung ändern kann. Man sollte viel mehr Zeit mit dem Glücklichsein verbringen. Wir müssen ja sowieso denken, warum dann nicht gleich positiv? Weil wir schon längst alle glücklich wären, wenn es so einfach wäre, verdammt!

Dass positives Denken einfach ist, hat allerdings auch nie jemand behauptet. Im Gegenteil, es ist harte Arbeit. Gerade, wenn wir schon sehr lange in negativen Gedankenschleifen unterwegs sind. Man kann sich das vorstellen wie eine Strecke im Wald, auf der man jeden Tag joggen geht. Mit den Jahren tritt sich die weiche Erde fest, und man wird automatisch immer diesen Weg nehmen, weil er am leichtesten zu sehen ist und man bequem darauf laufen kann. Umdenken bedeutet, sich durchs Dickicht zu kämpfen und neue Pfade einzuschlagen, und zwar immer wieder, denn bis diese genauso ausgetreten sind, dauert es eine Weile.

Eine Therapie kann bei diesem Prozess helfen, bestimmte Erinnerungssätze auch. Aber ein lapidar hingeworfenes „Denk doch mal positiv“ hat in den meisten Fällen genau den gegenteiligen Effekt. Vielleicht triggert uns der Satz deshalb so, weil er wissenschaftliche Erkenntnisse auf ein Minimum herunterbricht, ohne gleichzeitig Hilfestellung zu leisten. Wie soll man auf einmal positiv denken, wenn man es nie gelernt hat?

Als ich mich zum ersten Mal mit diesem Thema beschäftigt habe, ging es mir danach noch schlechter. Weil ich meine Gedanken bis dahin als etwas betrachtet hatte, das zwangsläufig in meinem Kopf passiert und sich komplett meiner Kontrolle entzieht. Und jetzt sollte ich sie also auf einmal beeinflussen können? Dann war ich ja doch die ganze Zeit selbst daran schuld, dass es mir nicht gut ging!

Die Fünftage-vorschau

Do., 28. 2.

Jürn Kruse

Nach Geburt

Fr., 1. 3.

Michelle Demishevich

Lost in Trans*lation

Mo., 4. 3.

Kefah Ali Deeb

Nachbarn

Di., 5. 3.

Sonja Vogel

German Angst

Mi, 6. 3.

Svenja Bednarczyk

Nullen und Einsen

kolumne@taz.de

Bis ich verstanden habe, dass mich Selbstvorwürfe nicht weiterbringen, sondern alles noch schlimmer machen, vergingen Jahre. Und noch weitere, bis ich herausgefunden habe, mit welchen Techniken ich meine negativen Gedanken in den Griff bekomme. Wie gesagt, harte Arbeit eben.

Von dauerhafter Zufriedenheit bin ich immer noch viele Schritte entfernt, aber immerhin kann ich mittlerweile den Weg dorthin sehen. Oder um es mit dem Sinnspruch auf einem Poster zu sagen, das ich neulich gesehen habe: Andere Wege haben auch schöne Steine.

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