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Ausgehen und rumstehen von Andreas HartmannFrühlingseinbruchim Kulturhaus

Foto: taz

So ein Frühlingseinbruch bringt alles durcheinander. Man ist erkältet, so, wie man halt normalerweise immer erkältet ist zu dieser Jahreszeit. Ein heißes Bad wäre jetzt optimal. Aber man muss ja raus, in die Sonne. Das ist verpflichtend für jeden Berliner. Sobald die ersten Sonnenstrahlen nach der dunklen Jahreszeit kommen: raus. Auch wenn sie kalendarisch mitten im Winter kommen. Dann wahrscheinlich erst recht. Hauptsache draußen, das war das Motto überall, wo man sich umsah, in Friedrichshain genauso wie in Neukölln. Gemäß dem Titel dieser Kolumne: Rausgehen und rumstehen.

Die Mitglieder der deutschen Band The Notwist, deren Hauptsitz immer noch Weilheim in Oberbayern ist, obwohl sie längst die Welt erobert hat, konnte das ganze fantastische Wochenende in Berlin mitnehmen. Freilich muss man zugeben: In Weilheim hätten sie es auch schön gehabt, da war es ebenfalls ziemlich warm.

The Notwist gaben am Samstag im Radialsystem ein Konzert. Mussten danach aber nicht weiterreisen, um woanders zu konzertieren, wie das üblicherweise der Fall ist bei Rockbands. Sondern sie spielten einfach noch zweimal am selben Ort. Ob für sie der Sonntagsbrunch in der Simon-Dach-Straße – natürlich im Freien bei diesem Wetter – drin gewesen ist, das ist fraglich. Wahrscheinlich hätten sie eh keinen Platz gefunden bei dem Gedrängel, außerdem fand ihr erster Auftritt am Sonntag bereits um 16 Uhr statt.

Das muss man auch erst einmal hinbekommen: dreimal hintereinander an einem Tag das Radialsystem zu füllen. Dabei hatte die Band aus Weilheim nicht einmal ihre Hits und Gassenhauer versprochen, sondern ausdrücklich obskure Stücke. Arbeiten für Film und Theater, das sperrige Zeug. Vielleicht war das aber genau der richtige Dreh. Die Rockband The Notwist hätte irgendeinen Rockschuppen wohl gar nicht dreimal hintereinander ausverkauft. Das Versprechen, das lockte, war: Die Experimentalband The ­Notwist spielt im Kulturhaus. Das musste man natürlich sehen.

Dementsprechend war auch das ganze Drumherum. Rein ins Foyer, warten, dann Einlass in den Saal wie im Theater und Sitzplatz suchen. Getränke bitte nicht mit hineinnehmen!

The Notwist präsentierten sich im Stile einer Jazzband, einer gepflegten Jazzband. Sie spielten Sets. Ein paar Nummern in einem Rutsch durch, ohne Pausen und Ansagen. Dann Zeit für Beifall und Jubel. Wieder Ruhe, nächstes Set. Tolle, aufregende Instrumentalmusik war das. Mit Gastbläser. Fast wie beim richtigen Jazz. Aber etwas hat gefehlt. Dass The Notwist auch mal wirklich The Notwist sein konnten. Also mit Gesang und Gitarrenriffs.

Am Ende erst durchbrach die Band die gedämpfte Kultursaal-Stimmung. Eine Person stand auf von ihrem Sitzplatz und rockte zum endlich gebotenen Rock. Vielleicht machte gerade irgendwo heimlich jemand eine in den Saal geschmuggelte Flasche Bier auf.

Nächstes Wochenende soll es noch wärmer werden. Nachmittags ein Konzert wäre wieder okay, aber dann bitte Open-Air!

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