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Fehlende Sequenzen

Zur Absetzung des Films „Yi miao zhong“

Die Presseerklärung der Berlinale las sich zunächst lapidar: „Aufgrund von technischen Problemen bei der Postproduktion kann ‚Yi miao zhong‘ (One Second) von Zhang Yimou leider nicht am 15. Februar im Wettbewerb der Berlinale präsentiert werden“, lautete die Mitteilung, die am Montagnachmittag die Runde machte. Somit war klar, dass der Wettbewerbsbeitrag eines der bekanntesten chinesischen Regisseure entfällt.

Zhang Yimous Film ist angesiedelt in der Zeit der chinesischen Kulturrevolution. Er handelt von einem Lagerhäftling, der geflohen ist, um eine Filmvorführung mitzuerleben – er will eine bestimmte Sequenz in einer Wochenschau sehen. Kurz vor der Vorführung wird das Filmmaterial von einem Waisenmädchen gestohlen.

Die Zeit der Kulturrevolution ist in der Volksrepublik seit Jahren ein heikles Thema. Dies hat sich erheblich verschärft, seit der aktuelle Staatschef Xi Jinping Rhetorik und Symbole der Kulturrevolution im Kampf gegen die allgegenwärtige Korruption in China nutzte. Der Personenkult um Xi und die Präsidentschaft auf Lebenszeit, die er sich auf dem letzten Volkskongress absegnen ließ, wecken unliebsame Erinnerungen. Mit dieser erneuten Stärkung autoritärer Herrschaft ging die Rückbesinnung auf eine Kulturpolitik einher, die das Chinabild im Ausland wieder stärker unter Kontrolle bringen soll.

Das Drachensiegel reicht nicht mehr

Es dürfte kaum Zufall sein, dass die Begründung im Falle von Zhang Yimous „Yi miao zhong“ (One Second) derjenigen ähnelt, mit der „Better Days“ des Hongkonger Regisseurs Derek Tsang kurz vor dem Festival aus dem Programm der Generationen zurückgezogen wurde. Im Falle von „Better Days“ berichtet die Zeitschrift Variety, dass der eigentliche Grund vermutlich in einer fehlenden Genehmigung bestand. Auch bei „One Second“ scheint dies wahrscheinlich.

Reichte bislang das Drachensiegel der chinesischen Filmzensur, um einen Film auf einem ausländischen Festival einzureichen, wird nun immer öfter eine zusätzliche explizite Genehmigung gefordert. Variety meldet, eine solche habe für andere chinesische Filme auf der Berlinale vorgelegen, im Falle von „One Second“ sei dies unklar.

Zhang Yimou gehört zur ersten Generation chinesischer Regisseure, die nach dem Ende der Kulturrevolution den chinesischen Film auf internationale Festivals zurückbrachte. 1988 gewann er mit seinem Film „Rotes Kornfeld“ den Goldenen ­Bären der Berlinale, sein Film wurde in Deutschland auch als Kritik an der Politik der Kommunistischen Partei gelesen. Zhang hat sich dagegen verwahrt, angenommene Dissidenz wurde dennoch zu einem Kriterium für den Erfolg chinesischer Regisseure im Ausland.

Fabian Tietke

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