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Eine verführerische Welt

Der junge Nicola ist in einem von der Mafia dominierten Block in Neapel aufgewachsen – und wird nun selbst zum Gangster. Die Roberto-Saviano-Verfilmung „La paranza dei bambini“ (Wettbewerb)

Still aus „La paranza dei bambini“ Foto: Abb.: Palomar 2018/Berlinale 2019

Von Michael Meyns

„Warum spielst du nicht Fußball?, fragt der Mafia-Pate, als er vom jungen, aufstrebenden Gangster um Waffen gebeten wird, „die verdienen nicht schlecht!“ Sein Gegenüber, der 15-jährige Nicola, antwortet ihm: „Ich war nie gut im Fußball“ – und damit ist alles gesagt. Wer im Viertel Sanità in Neapel aufwächst, der wächst mit dem Bewusstsein auf, dass das Leben von der Mafia kontrolliert wird: Schutzgelderpressung, Drogenhandel, Schießereien. In dieser Welt ist Nicola groß geworden, an dieser Welt will er teilhaben, koste es, was es wolle.

Nicola ist die Hauptfigur von Claudio Giovanessis „La parenza dei bambini“, der dem Berlinale-Wettbewerb endlich etwas Adrenalin, Wucht und Exzess verpasst. Es ist der dritte Film Giovanessis; der Italiener hat auch an der Verfilmung von „Gomorrha“ mitgearbeitet – dabei lernte er Roberto Saviano kennen, der mit der Buchvorlage und seinen Recherchen zu den Strukturen der Mafia berühmt wurde.

Auch „La parenza dei bambini“ beruht nun auf einer Vorlage Savianos. „Der Clan der Kinder“, so der deutsche Titel, ist der erste Roman des inzwischen unter Polizeischutz lebenden Schriftstellers – vergangenes Jahr erschien das Buch hierzulande. Es basiert auf Ereignissen, die sich vor ein paar Jahren in Neapel zutrugen.

Nah am Dokumentarischen ist nun auch die Verfilmung, die den Weg Nicolas vom Teenager zum gejagten Gangster schildert. Ein missglückter Überfall treibt Nicola und seine Kumpels in die Hände der Bosse des Viertels. Als Drogendealer verdienen sie sich erste Meriten; dank der auf diesem Wege erworbenen Einnahmen können sie sich auch endlich die begehrten Nikes kaufen und sich den Champagner und das Koks im Club leisten.

Doch Nicola will mehr, er will alles: Bald verjagt er mit seiner Gang die Bosse mit den MGs, die ihnen der Mafia-Pate überlässt. Um sie zu benutzen, müssen sie zwar erst bei YouTube nach einem Trainingsvideo suchen, doch kurz darauf sind sie ganz oben. Die Welt gehört ihnen. Man kennt diese Geschichte aus unzähligen Gangsterfilmen; Filme, die wohl auch die echten Jungs gesehen haben, auf deren Biografien Savianos Roman basiert. Dem süßen Leben jagen sie nach, und es zeichnet sich ab, dass dies böse enden muss – dennoch träumen die Jungs davon. In den Gesichtern der Laien­darsteller, die direkt von den Straßen Neapels gecastet wurden, spürt man diese Ambivalenz, besonders im Gesicht von Nicola, gespielt von Francesco Di Napoli, mit seinen markanten Wangenknochen und dunklen Augen.

Mit fließender Kamera, deren lange Einstellungen einen unwiderstehlichen Sog erzeugen, schildert Giovanessi das Leben dieser Teenager, dieser jungen Gangster von Neapel – und braucht keine offensichtliche Moral, um anzudeuten, dass diese Welt zwar verführerisch ist, aber auf tönernen Füßen gebaut ist.

13. 2. 12 Uhr, Friedrichstadt-Palast, 13. 2. 22.30 Uhr, KinoInternational, 17. 2., 16.15 Uhr, Friedrichstadt-Palast

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