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Landschaftsgemälde mit Steppenrocker

In Wang Quan’ans Wettbewerbsbeitrag „Öndög“ singt ein junger Polizist einer Leiche „Love me tender“ vor, und eine Hirtin kann gut schießen. Sonst bleibt die Kamera zu sehr vor der mongolischen Steppenlandschaft stehen

Von Fabian Tietke

Man rumpelt im Jeep durch die Steppe und plaudert über Pferde, plötzlich liegt eine Tote am Wegrand. Als die Polizei am nächsten Morgen endlich eintrifft, klappt erst einmal gar nichts: Das Auto bleibt liegen, eine Wölfin, von der Leiche angelockt, lässt sich von den Pistolenschüssen nicht verjagen, und erst nach einiger Zeit finden die Polizisten eine Hirtin – mit Gewehr. Aus der Steppenlandschaft reitet die Hirtin auf ihrem Kamel heran, neben ihr zu Fuß ein Polizist, sie steigt am linken Bildrand ab, zielt kurz, während sich die übrigen Polizisten an den rechten Bildrand drücken, schießt, und die vorher kaum sichtbare Wölfin flieht aus der Bildmitte. Alsdann zieht die Hirtin davon. Der Jüngste der Polizisten wird aufgefordert, über Nacht bei der Leiche zu bleiben, bis die Kollegen mit einem Transporter zurückkommen. Die Hirtin wird eingespannt, dafür zu sorgen, dass der junge Mann nicht erfriert oder verhungert.

Wang Quan’ans Wettbewerbsbeitrag „Öndög“ (das mongolische Wort für Ei) weiß nicht recht, was er will: Wang zeigt das Leben der Hirtin und eines befreundeten Hirten, den sie bisweilen als Hilfe herbeitelefoniert, beinahe ethnografisch genau mit dem Leben im Zelt, den Tieren, dem Schlachten eines Lamms und der Geburt eines Kalbs. Er unterläuft den wissenschaftlichen Gestus aber, indem er immer wieder plumpe Arthouse-Lacher einbaut, etwa wenn der Polizist beim Warten zu tanzen beginnt, später neben der Leiche allein „Love me tender“ von Elvis hört oder der Freund der Hirtin als Steppenrocker auf dem Motorrad inszeniert wird. Wang walzt diese Sequenzen mit einer Beharrlichkeit aus, bis sie verlässlich zu den Ohren wieder herauskommen.

„Öndög“ markiert das Ende von Wangs langjähriger Zusammenarbeit mit dem deutschen Kameramann Lutz Reitemeier. Die Bildgestaltung übernahm nun der Franzose Aymerick Pilarski, der seit mehreren Jahren in China lebt und arbeitet. Zu den ohnehin schon beeindruckenden Landschaften der Steppe fügen Pilarski und Wang allerdings nur eine filmische Idee – jene eingangs geschilderte Szene, in der die Hirtin auf den Wolf schießt. Ansonsten beschränkt sich der Film darauf, die Landschaft auszustellen und zu monumentalisieren. Das Steppengras wogt halt so vor sich hin.

Innerhalb der sogenannten sechsten Generation, jener Jahrgangsgruppe von Regisseuren, die Anfang der 2000er Jahre China fest in der internationalen Festivallandschaft verankerten, bildet Wang mit seiner dezidierten Vorliebe für das ländliche China und der Tendenz zu historischen Stoffen eine Ausnahmeerscheinung. Wang ist seit Jahren ein Liebling der Berlinale: 2002 war er – etwas verspätet – im Forum mit „Lunar Eclipse“ von 1999 das erste Mal zu Gast, danach 2004, 2007, 2010 und 2012 mit Filmen im Wettbewerb vertreten, 2017 war er Mitglied der Wettbewerbsjury. „Tuyas Hochzeit“ gewann 2007 den Goldenen Bären. So ist es vermutlich vor allem mit Gewohnheit zu erklären, warum ein so durchschnittlich gelungener Film wie „Öndög“ im Wettbewerb läuft.

Termine:

9. 2., 9.30 Uhr, Haus der Berliner Festspiele;

9. 2., 12.15 Uhr; Friedrichstadtpalast; 9. 2., 18 Uhr, Friedrichstadtpalast; 17. 2., 12.45 Uhr, Berlinale Palast

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