: Tschentscher kumpelt mit Industrie
Bürgermeister biedert sich bei Unternehmern an, Grüne wollen klimaneutrales Hamburg bis 2050
Von Sven-Michael Veit
Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) setzt beim Klimaschutz auf Wissenschaft und Technologie statt auf Verbote und Regulierungen. Im Interesse der Wirtschaft und einer modernen Lebensart könne dieser globalen Herausforderung nur so begegnet werden, sagte er vor rund 400 Mitgliedern des altehrwürdigen Übersee-Clubs. Verbote, Beschränkungen und Regulierungen seien keine Lösung, sagte Tschentscher. „Es kommt nicht darauf an, immer neue Forderungen zur CO2-Reduzierung aufzusatteln und diese mit apokalyptischen Szenarien zu untermauern.“
Damit ging der Bürgermeister deutlich auf Distanz zu seinem grünen Koalitionspartner. Der hat in einem Strategiepapier, das am Dienstagabend vom Landesausschuss, dem höchsten Gremium der Grünen, zwischen den Parteitagen gebilligt wurde, mehr Anstrengungen beim Klimaschutz gefordert. Der sei zu lange „ein Wohlfühlthema“ gewesen, notwendig sei nun eine „neue Ernsthaftigkeit“, damit Hamburg bis 2050 eine klimaneutrale Stadt werden“ könne. Diese Perspektive werde bei neuerlichen Koalitionsverhandlungen „zentraler Punkt“ sein.
Klimapolitik dürfe nicht wachstumsfeindlich sein, stellte Tschentscher vor der Wirtschaftsvereinigung klar. „Wir müssen uns so aufstellen, dass wir trotz Klimaschutz wachsen können und dadurch die wirtschaftliche Kraft entwickeln, den technologischen Fortschritt umzusetzen.“
Er sehe die Industrie dabei nicht als Problem, sondern als Teil der Lösung. „Wir sind ein wichtiger Industriestandort, und das wollen wir bleiben.“ Es gehe um Zehntausende Arbeitsplätze und einen Gesamtumsatz von mehr als 80 Milliarden Euro pro Jahr, auch im Hafen.
Tschentscher verwies auf CO2-Einsparungen durch den Rückkauf der Fernwärme und den geplanten Ersatz des veralteten Kohlekraftwerks Wedel. Zudem hätten Hamburg und Schleswig-Holstein vereinbart, den gesamten Strombedarf beider Länder bis 2035 nur noch mit regenerativer Energie zu decken, sagte Tschentscher.
Unternehmerverbände begrüßten die Rede als „Bekenntnis zur Wirtschaft ohne Wenn und Aber“. Es sei eine klare Ansage Tschentschers, „gemeinsam mit der Wirtschaft Klimaschutz und Energiewende zu meistern – ohne Verbote, Beschränkungen und Symbolpolitik, die doch nichts bringen, wie die Fahrverbote zeigen“, sagte Uli Wachholtz, Präsident des Unternehmensverbandes Nord. (mit dpa)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen