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Beate Schederschaut sich in Berlins Galerien um

Der Geruch, der einem im extra für die Ausstellung eingerichteten Kinosaal in der Galerie Neu in die Nase steigt, macht alles gleich noch besser. An ein ziemlich abgeranztes Etablissement erinnert das und womöglich roch es auch in den Clubs Elektro und Panasonic ähnlich, die Daniel Pflumm mit seinem Label Elektro Music Department in den 1990er Jahren in Berlin betrieb. Zu sehen gibt es in jenem Kinosaal ausgestattet mit NVA-Mobiliar von ebay natürlich auch etwas, Pflumms einstündige Videoarbeit „Hallo TV – FFM“ nämlich, die in melancholischen Bildern wie in Zeitlupe an der Frankfurter Skyline entlangzieht, an Fassaden hinaufgleitet und in Bürofenster hineinspät. Im vorderen Raum reiht das ebenfalls neue Video „Kindercountry“ Ausschnitte aus Fernsehwerbespots und Nachrichtensendungen zu einem Panorama an Scheinrealitäten der Konsumgüterindustrie aneinander. Lange musste man auf diese Schau warten. Fast 15 Jahre ist die vorherige Einzelausstellung Pflumms in der Galerie Neu her, 23 Jahre dessen erste dort (bis 2. 3., Di.–Sa. 11–18 Uhr, Linienstr. 119 abc).

Noch am Anfang seiner Karriere steht hingegen Sean Mullins, mit dessen Einzelausstellung, die tatsächlich die erste des Künstlers ist, vor knapp zwei Wochen ein neuer Kunstort auf der Leipziger Straße eröffnet wurde. Gegründet wurde dieser von Maurin Dietrich und Jonas Wendelin. Fragile heißt der Ausstellungs- und Residencyraum. Eine Anspielung auf die immer kompliziertere Situation auf dem Berliner Immobilienmarkt? Möglich. Eine gewisse Fragilität ist aber auch der Kunst Mullins nicht abzusprechen. Mystische Szenen spielen sich auf den Ölgemälden des jungen Malers ab, auf denen sich Götterboten, Superhelden und riesenhafte Vögel begegnen (bis 17. 2., nach Vereinbarung contact@FRAGILE.berlin, Leipziger Str. 63).

Von den fragilen Beziehungen zwischen Mensch, Natur und Architektur erzählen zeitgleich in Kreuzberg die Fotografien einer Doppelausstellung in der Galerie Russi Klenner. Saskia Groneberg zeigt dort unter anderem Auszüge aus ihrem Projekt „Vesuv, Venus“, in dem sie mittels schwarz-weißer Aufnahmen des Wörlitzer Parks mit seinem künstlichen Vesuv und seinen Kopien antiker Venusstatuen die menschliche Sehnsucht nach dem Paradies dechiffriert. Sehr weltlich sind im Vergleich die Themen, die Paul Hutchinson umtreiben. Seine Fotografien halten subkulturelle Lebenswelten fest, Momente des Alltags, Architekturen des sozialen Wohnungsbaus. Dabei verhandeln sie subtil die komplexen Umstände eines möglichen oder unmöglichen sozialen Aufstiegs (bis 16. 2., Mi.–Fr. 12–18, Sa. 11–16 Uhr, Luckauer Str. 16).

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