: Sinnlich, schön und brutal
Der Hochschulchor „IntoNation“ singt Carl Orffs „Carmina Burana“ am Wochenende im Theater Bremen
Von Klaus Wolschner
Sein fünfjähriges Jubiläum feiert „IntoNation“, der Chor der Hochschule Bremen, mit einem besonderen Konzert: Er führt die „Carmina burana“ von Carl Orff auf mit Schülern der Gerhard-Rohlfs-Schule in Vegesack und Tänzern der Bremer Tanzakademie „Loopers-dance2gether“, die im vergangenen Jahr „zehn“ geworden ist. Intonation war hervorgegangen aus dem inzwischen aufgelösten Brahms-Chor und hat sich unter Julio Fernández zu einem respektablen Ensemble von rund 80 Sängern entwickelt.
Für den geborenen Spanier Fernández seien besonders die Rhythmen der „Carmina Burana“ attraktiv, sagt er, weil sie ihn an die spanische Folklore mit ihren arabischen Wurzeln erinnern. Unzählige Aufführungen des Werks und seine Verwendungen in Filmmusik und Werbung beweisen, dass dem Komponisten hier ein ganz populärer Wurf gelungen ist. Die Texte aus dem 13. Jahrhundert kommen fast philosophisch daher: „Schicksal, ungeschlacht und eitel, bist ein immer rollend Rad: Glück als Wahn bloss, fort bestehend im Zergehn!“ Und sie feiern das Liebesglück, von dem offenbar auch die Pfaffen damals nicht ausgenommen waren – sinnlich, derb, schön, brutal, voller Lebenslust. Zum Leben gehörte der Alkohol: „Ich bin der Abt von Cucanien, meinen Rat halte ich mit den Säufern, geneigt bin ich dem Würfelspielorden, besucht einer morgens mich in der Schenke, geht er von mir nach der Vesper entkleidet, splitternackt ohne Hemd und wird schreien: Wafna! Wafna!“
Orff hatte sich in den 1930er-Jahren nach einer Phase des Experimentierens mit Zwölftonmusik mit archaischen afrikanischen Rhythmen beschäftigt, als ihm das kleine Büchlein mit den auf Mittelhochdeutsch und Lateinisch verfassten „Beurer Liedern“ in die Hand fiel. Orff ging mit den Texten recht frei um, und da es in seiner Zeit kaum Vorstellungen davon gab, wie im Mittelalter gesungen wurde, erfand er dazu unbelastet neue, mitreißende und tänzerische Rhythmen. Musikalisch ist das Chorwerk von raffinierter Schlichtheit, aber es sind der europäischen Musiktradition fremde musikalische Motive, die die grundlegenden Lebensweisheiten der Texte ausmalen.Neben Julio Fernández ist auch Mikolaj Kapala in der Leitung des Projektes. Kapala ist von Beruf Musiklehrer der Gerhard-Rohlfs-Schule, er hat mit SchülerInnen nicht nur den Kinderchor des Orff’schen Stückes, sondern auch das „Oh Fortuna“ eingeübt, den Ohrwurm. Seit 2014 arbeiten „IntoNation“ und die Gerhard-Rohlfs-Oberschule in Vegesack zusammen, um den Schülern, die aus vielen Nationen stammen, die Chorkultur nahe zu bringen – im aktiven Erleben.
Gleichzeitig haben Laien-Tänzer zwischen 8 und 80 Jahren mit den Choreografen Wilfried van Poppel und Amaya Lubeigt vom Tanzprojekt „Loopers-dance2gester“ zur Carmina eine Choreografie unter dem Motto „Wheel of Fortune“entwickelt: das Schicksal des Menschen als ein Mühlrad.Wer heute oben ist, mag morgen wieder auf dem Boden liegen. In den szenischen Bildern vervollständigen die Bewegungen der Tänzer die derben Texte und die mitreißend fremd klingenden Rhythmen zu einer archaischen Welt.
Sa, 2. 2., 19 Uhr, und So, 3. 2., 11 Uhr, Theater Bremen
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