OFF-KINO : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Gedenktage gibt es ja eigentlich mehr als genug, aber dieser macht – zumindest aus Sicht von Filmgeschichtsinteressierten – endlich mal Sinn: Seit 2005 der 27. Oktober von der Unesco zum „Tag des audiovisuellen Erbes“ erklärt wurde, finden an diesem Tag Veranstaltungen statt, die sich mit dem Problem der Bewahrung und Überlieferung von Film- und Fernsehmaterial beschäftigen. In diesem Jahr gibt die Deutsche Kinemathek in Gestalt des Projektleiters Bernd Eichhorn Auskunft über die Erschließung der Materialien zu F. W. Murnaus letztem Film „Tabu“, der nach Murnaus Unfalltod in verschiedenen Fassungen veröffentlicht wurde. Das von Murnau montierte Originalnegativ ist verschollen, jedoch existieren im Österreichischen Filmmuseum und im Bundesarchiv-Filmarchiv noch bislang ungeordnete Originalnegativ-Fragmente. Zudem bewahrt die Deutsche Kinemathek im Nachlass des Regisseurs neben dem Drehbuch vielerlei Dokumente, die Aufschluss über die Entstehung des Südsee-Films geben, den Murnau gemeinsam mit Robert Flaherty plante, jedoch nach einem Streit allein vollendete. („Tabu“, OF, 27. 10., Arsenal)
Einer der interessantesten Filme in der Zeughaus-Reihe „Deutscher Film im Kalten Krieg“ ist das 1953 in der Bundesrepublik entstandene Melodram „Weg ohne Umkehr“ von Victor Vicas, das ganz ohne Pathos und ideologisches Wortgeklingel die Geschichte einer Flucht von Ost nach West erzählt. Ivan Desny verkörpert hier einen eigentlich idealistischen russischen Ingenieur, den der Aufbau Ost jedoch derart ernüchtert, dass er gern mit seiner Freundin in den Westen ziehen würde. Doch Anna (Ruth Niehaus) ist eben auch die Sekretärin und Geliebte eines Ost-Geheimdienstoffiziers (René Deltgen) – was eine Reihe von einsamen Gewissensentscheidungen und Geheimdienstaktivitäten auf den nächtlichen Straßen Berlins nach sich zieht. Bei aller melodramatischer Spannung, die der Film besitzt, hat kaum eine andere West-Produktion in jenen Tagen die Zerrissenheit der Menschen im Osten zwischen Idealismus und Enttäuschung so glaubhaft dargestellt. (24./25. 10., Zeughauskino)
Eine seltsame Situation ist das schon: Längst ist die Ukraine unabhängig, doch im Hafen von Sewastopol, der größten Stadt der ukrainischen Krim-Halbinsel, liegt noch immer die russische Schwarzmeerflotte, die als Arbeitgeber in dieser Gegend auch kaum wegzudenken ist. Allerdings verdrecken die Militärs das Meer rücksichtslos. Trotzdem findet „Am Pier von Apolonovka“ Badevergnügen statt, das der Regisseur Andrei Schwartz in seinem Film dokumentiert hat: Jugendliche springen hier unter Verrenkungen von der Mole ins verschmutzte Wasser, alte Menschen gehen noch jeden Tag schwimmen und trauern vermeintlich besseren Zeiten hinterher. Einige Männer versuchen derweil, als Taucher illegal Buntmetall zwischen den Minen zu bergen. Ein Blick auf sonnige Ferientage, den nihilistischen Übermut der Jugend, die Wehmut des Alters und pragmatische Menschen in einem schweren Alltag. (OmU, 22.–24. 10., Kino Krokodil) LARS PENNING