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Ein Land, viel Müll

Nicht jeder Russe kannte bis vor Kurzem die Stadt Saransk. Mit knapp 300.000 Einwohnern zählt sie zu den kleineren Zentren des Landes. Daran änderte auch die Rolle als Hauptstadt der Republik Mordwiniens nichts, 600 Kilometer östlich von Moskau gelegen. Erst als kleinster Austragungsort der Fußball-WM tauchte der Ort auf der Landkarte auf.

Noch eine Besonderheit kann Saransk vorweisen: Seit Jahren ist die Stadt bei der Müllsammlung und -trennung ein Vorbild für andere Regionen. Doch das ist nur dem engen Kreis der Experten aus der Abfallbranche bekannt.

Der Müllexperte Remondis übernahm Sammlung und Trennung zunächst in Saransk, inzwischen arbeitet er auch in der übrigen Republik Mordwinien. Bislang ist er die einzige deutsche Firma, die in Russland als Müllentsorger tätig ist.

Ab 1. Januar 2019 müssen sich alle 85 russischen Verwaltungsgebiete um einen „regionalen Mülloperator“ bemühen, der Entsorgung und Planung für zehn Jahre übernimmt. Ausländische Firmen hätten keine großen Chancen, im Müllmarkt heimisch zu werden, meinen Kenner der Szene.

Russland produziert jedes Jahr 70 Millionen Tonnen Hausmüll. Jeder russische Bürger hinterlässt in einem Jahr 400 Kilogramm Abfall, bei steigender Tendenz.

Fast jedes Jahr wachsen die Mülldeponien in dem Land um mindestens 400.000 Hektar. Das sind Flächen, auf denen Megastädte wie Moskau und Sankt Petersburg Platz fänden. Kommen zum Hausmüll noch Indus­trieabfälle hinzu, sitzt Russland schon auf 100 Milliarden Tonnen Müll.

Remondis’ Müllcontainer fördern die Trennung des Abfalls. Sie sind im Stadtbild von Saransk deutlich zu erkennen. Wo die Container stehen, ist auch das Umfeld sauber. In den Dörfern wurden darüber hinaus 5.000 neue Abfallbehälter aufgestellt, und in mehr als 350 Siedlungen hat bereits die Entsorgung begonnen.

Nur 4 Prozent der Haushaltsabfälle werden in Russland wiederverwertet. Die offizielle staatliche Statistik gibt allerdings 8 Prozent an. Der meiste Müll landet jedoch einfach auf den Deponien – auch in Mordwinien.

Getrennte Müllsammlungen und Recycling sind jetzt zwar gesetzlich vorgeschrieben, es fehlen aber immer noch Müllsortieranlagen. Die älteren Bänder sind auch nicht vollautomatisch, sondern nach wie vor auf Handarbeit angewiesen.

Landesweit gibt es nur 60 große Müllsortieranlagen. Daher landen bislang noch 90 Prozent des Abfalls auf einer der 22.000 offiziellen Müllkippen. Laut Experten dürften die illegalen Kippen landesweit mit mindestens 60.000 etwa das Dreifache ausmachen.

Inzwischen wird auch darüber nachgedacht, in Saransk eine moderne Deponie zu errichten. Damit Schadstoffe nicht in den Boden gelangen, soll sie eine Bodenabdichtung erhalten und mit einer Anlage zur Erfassung des Sickerwassers und dessen Reinigung versehen werden. Auch eine Vorrichtung für Gasaufbereitung ist vorgesehen.

Auch in Atnary, in der Wolgarepu­blik Tschuwaschien, wurde der Mülllawine schon vor einiger Zeit der Kampf angesagt. Im Dorfladen schrieben die Verkäuferinnen mit einem Filzstift die Namen des Käufers auf die Verpackungen. Ist der Käufer unbekannt, fragen die Frauen auch mal nach dem Pass. Landet der Verpackungsmüll später auf der Straße, schaltet sich die Dorfverwaltung ein. Klaus-Helge Donath

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