„Der Wald braucht eine ordnende Hand“

Der Feuerökologe Johann Goldammer rät dazu, auch naturbelassene Wälder vom Unterholz zu befreien

taz: Herr Goldammer, Jahr für Jahr brennt auf der Iberischen Halbinsel der Wald. Warum ist jetzt die Aufregung so groß?

Goldammer: Es stimmt, das Phänomen ist in Südeuropa nicht neu. Aber das Gefahrenpotenzial hat sich in den vergangen Jahren erhöht.

Warum?

Der ländliche Raum in Südeuropa vergreist, die Bevölkerungszahl nimmt immer weiter ab. Die Folge ist, dass die Land- und Forstbewirtschaftung weniger intensiv wird. Zudem wurde früher das Unterholz aus dem Wald geschafft und als Biomasse zum Heizen oder Kochen genutzt. Jetzt bleibt das Brennmaterial im Wald. Und das führt dazu, dass sich das Feuer explosionsartig ausweiten kann. Brände hat es immer gegeben, aber heutzutage sind sie schwerer zu kontrollieren.

Also haben die Waldbesitzer und die Behörden ihre Pflichten nicht erfüllt?

Zumindest zögern sie. Weil Holz nicht mehr als Biomasse genutzt wird, kostet seine Beseitigung aus dem Wald furchtbar viel Geld. Die privaten Waldbesitzer scheuen diese Investitionen ebenso wie die öffentliche Hand. Dabei würde sich Holz als Energieträger bei einem steigenden Ölpreis möglicherweise bald rechnen.

In Deutschland wächst der Anteil der naturbelassenen Wälder ebenfalls. Drohen uns bald ähnliche Feuer wie in Portugal und Spanien?

Die naturbelassenen Wälder sind kein Problem, solange die Brandgefahr gering ist, zum Beispiel wegen des Klimas. Deutschland ist deshalb kein Risikogebiet. Aber mit der Klimaveränderung sind Wetterextreme verbunden, auch starke Trockenzeiten, wie bei uns vor zwei Jahren. Wenn wir wieder wie damals eine lange Hitzeperiode haben, steigt das Risiko. Und ein Kiefernwald mit viel Unterholz brennt dann viel schneller als ein „aufgeräumter“ Wald.

Also darf ein Wald nicht sich selbst überlassen werden?

Unser Wald braucht eine ordnende Hand, denn wir leben in einer dichtbesiedelten Kulturlandschaft. Auch in einem Nationalpark muss man Vorsichtsmaßnahmen ergreifen und zumindest bestimmte Pufferzonen aufräumen. Wir können es uns nicht leisten, irgendwann den Nationalpark Bayerischer Wald abbrennen zu lassen.

INTERVIEW: STEPHAN KOSCH