Plaudertasche vor der Anklage

Gegen Düsseldorfs CDU-Oberbürgermeister wird jetzt ermittelt: Weil er Geheimnisse der Verwaltung preisgab, sind Staatsanwaltschaft und die kommunale Aufsichtsbehörde eingeschaltet

von ANNIKA JOERES

Der oberste Chef der Landeshauptstadt hat zu viel geplaudert: Joachim Erwin (CDU) droht nun eine Anzeige wegen „Verrats von Privatangelegenheiten“, eine Rüge der Bezirksregierung und eine öffentliche Missbilligung des Rates. Oberbürgermeister Erwin hat in einer Sitzung des Kreiswahlausschusses am vergangenen Freitag Interna aus Akten der Verwaltung vorgetragen. So sagte er über den PDS-Ratsherren Frank Laubenburg, er habe keine Handtücher, seine Kleider lägen auf dem Boden statt im Schrank und die Tür öffne er in Badeschlappen.

Hintergrund ist ein Besuch der Meldebehörde bei Laubenburg, um seinen tatsächlichen Wohnort zu überprüfen. Um für die Linkspartei.PDS zu kandidieren, muss er in Düsseldorf gemeldet sein. Laubenburg hatte nach seinem kurzfristigen Umzug versäumt, den Mietvertrag vorzuweisen. Nach dem Besuch des städtischen Ordnungsamtes war jedoch schon vor der Sitzung des Wahlausschusses klar: Laubenburg wohnt in Düsseldorf und darf kandidieren. Für die Äußerungen Erwins gibt es keinen sachlichen Grund. „Das ist unfassbar“, sagt Laubenburg, „er hat sein Amt missbraucht“. Der Linke stellte deswegen gestern die Anzeige bei der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft.

Die Behörde bestätigt den Eingang der Anzeige, will sich zum Verfahren jedoch nicht äußern. „Unsere politische Abteilung prüft noch“, sagt ihr Sprecher Johannes Mocken. Erwin sei ja sehr sensibel, deswegen könne er auch zum möglichen Strafmaß nichts sagen. „Der kriegt sofort Schluckauf.“

„Erwin hat gegen den Datenschutz verstoßen“, sagt Bettina Gayk, stellvertretende Landesdatenschutzbeauftragte in NRW. So ein Fall sei die Ausnahme, zuletzt habe Kölns Ex-Regierungspräsident Franz-Josef Antwerpes Privates über MitarbeiterInnen veröffentlicht (siehe Kasten).

Auch die Düsseldorfer Oppositionsparteien SPD und Grüne sind aktiv gegen Erwins „Entgleisung“. Sie stellen in der nächsten Ratssitzung einen Antrag, das Verhalten von OB Erwin zu missbilligen. Außerdem haben sie die Kommunalaufsicht der Düsseldorfer Bezirksregierung eingeschaltet und erhoffen sich eine Rüge. „Erwins Äußerungen sind nicht hinnehmbar“, sagt die grüne Fraktionssprecherin Iris Bellstedt. Zwar wolle sie keinen Rücktritt fordern, aber Erwin „muss sich zurücknehmen“, sagt Bellstedt. Er fühle sich als Stadtchef an nichts mehr gebunden.

„Warum muss ich mir so etwas Privates anhören?“, fragt SPD-Geschäftsführerin Anette Steller. Als Wahlleiter müsse Erwin nur feststellen, ob Laubenburg zugelassen werde oder nicht. Natürlich sei der ewige Zwist zwischen Erwin und Laubenburg ihr „persönliches Räppelchen“. Aber diesmal habe der oberste Christdemokrat grundsätzliche Rechte verletzt. „Beim nächsten Mal ist jemand anders dran.“