Jan-Paul Koopmann
Popmusik und Eigensinn
: Traurig gute Laune

Foto: privat

Dass die Reunion von Wizo damals bemerkenswert unbemerkt geblieben ist, wird daran liegen, dass es hinterher einfach genauso weiterging wie früher: mit maßvoll angeschrabbelten Popmelodien, über die Axel Kurth seine Texte mit patziger Jungswut singt und dabei so charakteristisch an Höhen kratzt, dass es echt nach Wut klingt – oder nach Stimmbruch. Für die Texte, um die es natürlich geht, ein aktuelles Beispiel: „Das Brot verdorben, die Spiele krank / es funktioniert nicht, das wisst ihr doch schon lang / Ihr schließt die Augen, wollt’s nicht eingestehn / es ist gescheitert, euer scheiß System! / Drum nennt’s ruhig Wahnsinn, nennt es Utopie / ich träume weiter von Anarchie!“

Tja, wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Also, auf die Bullen nicht – und auch metaphorisch nicht auf gescheiterte Ideenwelten. Immerhin hat sich das Wizo-System in den vergangenen Jahren als das krisenfestere erwiesen, weil es auf mehr Säulen steht als nur Profitmaximierung. Es geht bei Wizo nämlich um Saufen, Politik von hart links (sogar wirklich) Lustiges, Melancholie und dazu noch diese makabere Freude am Grauenhaften.

Die war allerdings früher wirklich schlimmer: „Ich hab heut ’ne alte Frau überfahren“, war wirklich fies. „Wir essen Leichen“ auch, „Bring Dich um“ sowieso. Ist einfach der Biss weg oder hat sich am Ende doch etwas getan? Wer will, kann in den neuen Texten eine neue Nachdenklichkeit erkennen. Die als Funpunks getarnten Radikalinskis (oder umgekehrt) sind in die Jahre gekommen. Aber wo etwa Campino seit Jahren affirmativ eine Ewigkeit beschwört, die einem Angst machen müsste, nehmen’s Wizo mit so was wie Humor. „Wenn der Blick in meinen Spiegel / täglich neue Schrecken birgt / und die Hoffnung immer kleiner wird, / dass Augenschließen wirkt, / dann bin ich froh, über die Vergangenheit, in alle Ewigkeit“, aber dann kommt eben doch so ein Scheiß-drauf, wie von damals: „Denn wir waren ’94 auf den Chaostagen / und das reicht mir, wenn ich’s weiß / und selbst wenn Du es mal vergessen solltest, / hab ich Fotos zum Beweis.“

Das war alles mal richtig wichtig. Wenn es bei Wizo heute heißt „Das bisschen Leben hat den Namen kaum verdient“, dann stimmt das ja. Und eine Revolte, die nicht von genau dieser Wut gespeist ist, die braucht auch kein Mensch. Früher waren Wizo dafür niedrigschwellig zu haben und ja sogar indiziert (und das nicht wegen Ferkelkram wie Die Ärzte, sondern wegen linker Gewalt). Die Luft ist raus, klar, aber es ist doch irgendwie auch versöhnlich, dass sich der Zustand auch heute noch am besten mit Wizo beschreiben lässt: „Wir leben nebeneinander / jeder in seinem Tran“ und so verhält es sich ja irgendwie auch mit Altpunks und dem Schweinesystem.

31. 1., 20 Uhr, Schlachthof