: Kritik an Schattenhaushalt
STEUERDEBATTE Union und FDP ernten kräftige Schelte für ihren geplanten Sonderfonds von 60 Milliarden Euro. Reiche Bürger fordern höhere Vermögensteuern statt Schulden
AUS BERLIN HANNES KOCH
Der Berliner Millionär Peter Vollmer würde der neuen Koalition aus Union und FDP gern aus der Patsche helfen. Zusammen mit weiteren 42 „vermögenden Bürgerinnen und Bürgern“ forderte der 69-jährige Vollmer die Regierung auf, eine neue Abgabe auf hohe Vermögen zu erheben, die dem Staat pro Jahr 100 Milliarden Euro bringen soll. Um ihrem Ansinnen Nachdruck zu verleihen, protestierte die Initiative am Mittwoch bei den Koalitionsverhandlungen.
Doch dort spielen höhere Steuern auf Gewinne und große Vermögen keine Rolle. Im Gegenteil geht es darum, die Steuern zu reduzieren – auch für Gutverdiener. „Wir wollen die nationalen Energiesteuersätze für das produzierende Gewerbe in dieser Legislaturperiode auf das Niveau der ersten Ökosteuerreform aus dem Jahr 1999 zurückführen“, heißt es beispielsweise im Ergebnispapier der Koalitionsarbeitsgruppe Umwelt/Energie (Stand 17. 10.), das der taz vorliegt. Würde diese umgesetzt, müsste etwa die Stromsteuer für Unternehmen, die heute noch keine Ausnahmeregelung genießen, auf die Hälfte sinken.
Dies, die geplante Reduzierung der Einkommensteuer und andere Maßnahmen würden Milliarden Euro kosten, die die neue Regierung wegen der Rekordverschuldung eigentlich nicht zur Verfügung hat. Deshalb berieten CDU-Haushaltspolitiker Steffen Kampeter, Hermann Otto Solms (FDP) und Kanzleramtschef Thomas de Maizière (CDU) am Dienstag intensiv über den neuen Schuldenfonds.
Dafür werden derzeit zwei Varianten diskutiert. Erstens könnte die neue Regierungskoalition bis zu 60 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen und sie in einem Nachtragshaushalt für 2009 platzieren. Die Neuverschuldung in 2009 würde nicht die Haushalte der kommenden Jahre belasten, wenn die Ausgaben wegen der Schuldenbremse sinken müssen. Schwarz-Gelb will aus dem Schattenhaushalt die Defizite der Bundesagentur für Arbeit und der Krankenkassen bezahlen.
In der zweiten Variante würde der neue Fonds der Schuldenbremse sehr wohl unterliegen, weshalb viele CDU-Politiker diese Lösung sympathischer finden. Der Fonds würde nicht aus dem Bundeshaushalt ausgestattet, sondern eigene Kredite aufnehmen, die er an die Bundesagentur weiterreichte. „Ein eventuelles Minus des Fonds muss irgendwann dem Bundeshaushalt zugerechnet werden“, sagt CDU-Fraktionsvize Michael Meister. „Auch in diesem Falle wirkt dann die Schuldenbremse. Die Politik entzieht sich also nicht der Konsolidierungserfordernis“, so Meister. Weil diese Lösung für die Regierung aber unbequemer ist, ist sie unwahrscheinlich.
Inzwischen haben sich zahlreiche CDU-Politiker mit dem neuen Parallelhaushalt angefreundet, den sie am Vortag noch kritisiert hatten. Darauf, dass die Schuldenbremse erst ab 2011 greife, wies Baden-Württembergs CDU-Ministerpräsident Günther Oettinger hin: „Ich akzeptiere, dass bis dahin das alte Verfassungsrecht gilt, in dem Sondervermögen und Fonds möglich sind.“ Unions-Fraktionschef Volker Kauder betonte, auch die Rettungsmaßnahmen für die Wirtschaft seien in einem Sonderfonds organisiert worden. FDP-Generalsekretär Dirk Niebel sagte, das Konzept verdeutliche, welche krisenbedingten Kosten entstanden seien.
Es gab aber auch scharfe Kritik. Der rheinland-pfälzische Finanzminister Carsten Kühl (SPD) bezeichnete das Vorhaben als „eine neue Qualität finanzpolitischer Trickserei“. Der parteilose Berliner Finanzsenator Ulrich Nußbaum sagte: „Wenn ich in meinem Unternehmen auf diese Weise bilanzieren würde, wäre ich wegen Konkursverschleppung dran.“ Nach dem Grünen-Haushaltspolitiker Alexander Bonde ist der geplante Schattenhaushalt „der größte haushaltspolitische Betrug in der deutschen Geschichte“. Union und FDP umgingen die Schuldenbremse mit schmutzigen Tricks.
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