: Heilsversprecher
Die neueste Folge aus der Reihe „Bloch – Der Freund meiner Tochter“ (20.15 Uhr, ARD) ist ein Seelenthriller mit eigentümlichen Sog
VON CHRISTIAN BUSS
Was er heute ausgegraben hat, schüttet er morgen wieder zu. Dr. Maximilian Bloch (Dieter Pfaff) ist ein beschlagener Therapeut, er selbst muss allerdings als untherapierbar eingestuft werden. Gleich am Anfang sehen wir ihn, wie er am holländischen Strand das Bild seiner Frau verscharrt, die einst freiwillig aus dem Leben geschieden ist. Möchte man von so einem überhaupt psychologischen Rat annehmen – zumal, wenn es der eigene Vater ist?
Als der Kummerkloß von seinem Trip an die Nordsee zurück ist und in Köln den neuen Lebensgefährten der Tochter kennen lernt, fällt ihm zu dem jungen Mann nur eines ein: Pass auf, mit dem stimmt was nicht! Verständlich, dass Leonie (Katharina Wackernagel) nicht bereit ist, sich von dem Alten, der selbst zu unangenehmen Verhaltensauffälligkeiten neigt, belehren zu lassen. Auch wenn ihr Henny (Devid Striesow) tatsächlich unter Stimmungsschwankungen leidet. Eben noch plaudert er heiter, dann huscht ein gefährlicher Hauch von Jähzorn über sein sympathisches Gesicht. Zur ersten Eskalation kommt es, als Leonie mit dem Vater den Eröffnungswalzer für die eilig angesetzte Hochzeit einstudiert.
Für diese „Bloch“-Episode wird mal wieder alles miteinander verquickt: Das Trauma des Vaters mit den Ängsten der Tochter und das schwierige Verhältnis der beiden untereinander mit dem Borderline-Syndrom des Bräutigam. Das ist ein gewagter Einstand für Regisseur Kilian Riedhof und seinen Co-Autoren Marco Wiersch, die mit diesem Psycho-Krimi das Projekt des unlängst verstorbenen „Bloch“-Erfinders und Fassbinder-Autoren Peter Märthesheimer (und dessen Partnerin Pea Fröhlich) weiterführen.
Nicht sämtliche erzählerischen Knoten werden präzise geknüpft, aber als Seelenthriller entfaltet die Produktion einen eigentümlichen Sog. Etwa wenn Gewaltszenen ohne Ton ins Bild gesetzt werden, als sei da ein Teil des Bewusstseins einfach ausgeknipst worden. Die Besetzung ist über gelegentliche Plausibilitätslücken des Drehbuchs erhaben.
Der großartige Devid Striesow spielt die Persönlichkeitsspaltung mit lakonischem Aberwitz. Der von ihm dargestellte Psychopath sperrt seinen zukünftigen Schwiegervater nach einem Eklat in den Kleiderschrank, um hinterher bei Kaffee und Kirschtorte ganz sanft über seine Probleme sprechen zu wollen.
Und Katharina Wackernagel ringt der Tochterfigur tragische Größe ab: Die dramatische Persönlichkeitsveränderung, die sie in dieser Episode durchmacht, ist vielleicht nicht pathologisch zu nennen – aber wie Leonie binnen kürzester Zeit von der libertinistischen Studentin zum hingebungsvollen Frauchen mutiert, das auf die Hochzeit in Weiß hinarbeitet, ist so überzeugend gespielt, dass einem angst und bange wird.
Eigentlich ist „Der Freund meiner Tochter“ Katharina Wackernagels Film; am Ende dieses Albtraums geht sie in einer fürs Fernsehen ungewöhnlich langen Einstellung aus dem Bild. Die Haltung ist aufrecht, der Blick feucht. Der kluge egomanische Vater sitzt längst schon wieder im Zug, auf Trost und Geborgenheit darf sie nicht hoffen.
So bleibt unter dem neuen Autorenteam die hervorstechende Eigenschaft der Reihe erhalten: Psychologie ist bei „Bloch“ kein billiges Heilsversprechen, sondern eine Krücke für die mental Versehrten. Einige können sich mit dieser Krücke aus dem eigenen Seelenkeller in die Welt hinausschleppen, andere bleiben auf immer darin gefangen.