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Arm, aber teuer

Im Ranking der kommunalen Gebühren für Abwasser und Müll sowie Grundsteuer stehen Bremen und Bremerhaven auf Platz 86 und 89 der hundert größten Städte Deutschlands

VonJens Fischer

Bremen und Bremerhaven liegen im Nebenkostenranking der Bundesländer weit hinten auf Platz 86 und 89 der hundert größten Städte Deutschlands. So fasst der Verein Haus & Grund Bremen eine vergleichende Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft zusammen, die der Bundesverband der Interessenvertretung der Immobilienbesitzer in Auftrag gegeben hat.

Eingeflossen in die Erhebung sind nur Forderungen für Abwasser, Müll und Grundsteuer. Warum nicht auch Strom und Heizung? „Die Pressemitteilung lockt auf die falsche Fährte“, stellt die Bundespressesprecherin des Verbandes, Eva Neumann, richtig. „Wir haben nur die Abgaben untersucht, die den Kommunen zugute kommen.“

Und über die empört sich Ingmar Vergau, Geschäftsführer von Haus & Grund Bremen: „Während in Regensburg für Abwasser- und Müllgebühren sowie Grundsteuer 857 Euro zu zahlen sind, müssen von einer Familie in Bremen 1.487 Euro und in Bremerhaven sogar 1.573 Euro aufgebracht werden.“ Zockt die Hansestadt ab? „Die Kosten des Wohnens steigen in Bremen seit Jahren. Die Bürger stehen dem ohnmächtig gegenüber, da die Kostenstrukturen schwer durchschaubar sind“, sagt Vergau.

Eine differenzierte Sicht auf die Studie fordert Oliver Ladeur, Sprecher von Hansewasser. In der Abwassergebühren-Hitliste, basierend auf Zahlen des Jahres 2017, liegt Bremen auf Platz 70 mit 577,30 Euro für die Musterfamilie der Studie, die aus zwei Erwachsenen und zwei Kindern besteht, wohnend in einem Haus mit 120 Quadratmetern Fläche.

Seit 1999 seien die Bremer Abwassergebühren um sechs Prozent gestiegen, sagt Ladeur: „Damit liegen wir im Ranking der Großstädte über 200.000 Einwohner im Mittelfeld.“ Auch müssten die Gründe der vielerorts sehr unterschiedlichen Gebühren beachtet werden.

In Instandhaltung und Sanierung der Abwasserkanäle, Kläranlagen und Pumpen stecke Bremen jährlich 35 Millionen Euro, so Ladeur. In anderen Städten herrsche Investitions- und Sanierungsstau, dort könnten Gebühren dann auch niedriger sein. Zudem müssten geografische Unterschiede beachtet werden. In München reiche eine Pumpe zur Wasserver- und -entsorgung, im flachen Bremen würden dafür 200 Pumpen betrieben. „Genau diese Aufklärung brauchen wir“, sagt Vergau. „Es fehlt die Transparenz für den Verbraucher, warum die Gebühren so sind, wie sie sind.“

Bei Müllentsorgung steht Bremen auf Platz 72 mit Kosten für den Service von jährlich 297,48 Euro. Herangezogen wurden hierfür Zahlen aus 2016. Dem widerspricht die Pressesprecherin der Stadtreinigung, Antje von Horn. Für die Musterfamilie der Studie würden aktuell jährlich nur 225,46 Euro fällig.

„Es fehlt die Transparenz für den Verbraucher, warum die Gebühren so sind, wie sie sind“

Ingmar Vergau, Geschäftsführer Haus & Grund Bremen e. V.

Mit einem Grundsteuerbetrag von 589 Euro für die Studien-Musterfamilie taucht Bremen auf Platz 90 des Rankings auf. Bekanntlich ist diese Abgabe eine Stellschraube für die Einnahmeregulierung der Städte– gerade in Haushaltsnotlagesituationen.

So wurde der Hebesatz in Bremen als Multiplikator der Grundsteuerberechnung im Jahr 2016 von 580 auf 695 Prozent heraufgesetzt. „Dieser vergleichsweise hohe Hebesatz basiert auch auf dem Fakt, dass hier keine Straßenreinigungsgebühr erhoben wird“, erklärt Dagmar Bleiker, Pressesprecherin der Finanzsenatorin. Das habe die Studie nicht berücksichtigt. Stuttgart beispielsweise mit einem Hebesatz von nur 420 Prozent verlange zusätzlich bis zu 162 Euro Kehrgebühr pro Meter Hausfront und Jahr – je nach Lage der Immobilie und Häufigkeit der Reinigung.

Das wünscht sich auch Vergau: „Statt die hohe Grundsteuer mit der Straßenreinigung zu entschuldigen, sollte diese Gebühr wieder eingeführt und die Grundsteuer abgeschafft werden.“ Dann hätten Bürger auch einen Anspruch auf Gegenleistung. Derzeit könne in Bremen nirgendwo Straßenreinigung angefordert werden.

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