Susanne Messmer staunt über Menschen, die Gold essen: Currywurst für 17 Euro
In China essen sie Schwalbennester aus Vogelspeichel, genau genommen sind es Nester von einem Verwandten des Mauerseglers. Diesen wird vor allem deshalb potenzsteigernde und verdauungsfördernde Wirkung zugeschrieben, weil man, um sie zu pflücken, kompliziert klettern muss und ergo der Spaß recht teuer ist. So nach dem Motto: Ich reicher Mann, ich dicke Hose.
Im Mittelalter galt der Pfau als Paradiesvogel und symbolisierte die Unsterblichkeit, weshalb man zeitweise an die „Unverweslichkeit“ seines Fleisches glaubte und hoffte, qua Verzehr desselben ein wenig älter werden zu dürfen. Deshalb wurde das Fleisch auch meist kompliziert konserviert. So nach dem Motto: Ich bin, was ich esse.
Kulinarischer Aberglaube
Es scheint, als seien wir in Sachen kulinarischer Aberglaube keineswegs weiter als in China oder im Mittelalter. Da ist zum einen die aktuelle Debatte um ein 1.200 Euro teures, vergoldetes Steak, mit dessen Verzehr kürzlich FC-Bayern-Star Franck Ribéry versuchte, für sich zu werben. Da sind zum anderen zwei Berliner Restaurants, die in diesem Zusammenhang in die Schlagzeilen gerieten, weil sie ebenfalls Vergoldetes anbieten, nämlich die gemeine Currywurst.
Neben einem Etablissement in Prenzlauer Berg ist es auch das Hotel Adlon, das in einem seiner Restaurants eine vergoldete Wurst verkauft – allerdings inklusive raffinierter Sauce nach geheimer Rezeptur, vom Havelländer Apfelschwein, das Ganze auf witzigen Schalen der Königlichen Porzellan-Manufaktur und für 17 Euro die Portion.
Das logische Denken derer, die sich hin und wieder ein Portiönchen Blattgold gönnen, das angeblich nach nichts schmeckt und genau so wieder ausgeschieden wird, wie man es zu sich genommen hat, erschließt sich ebenso rasch wie beim Schwalbennest und beim Pfauenfleisch. Man isst etwas und hofft, dass sich etwas vom Glanz dessen, das man da zu sich genommen hat, niederschlägt. Promiköchin Sarah Wiener hat zu Recht darauf hingewiesen, dass man ja mit Geld prinzipiell machen kann, was man will. Die Art, das so zu zelebrieren und der Welt mitzuteilen, sei aber dekadent und armselig.
Schmecken soll es
Man könnte es auch so sehen: Wenn man schon der Meinung ist, dass Status auch durch den Magen gehen kann, dann könnte man sein Geld auf durchaus sinnvollere Weise aus dem Fenster blasen.
Zum Beispiel könnte man ein Huhn teuer erwerben, dem zumindest vor seiner Schlachtung ein einigermaßen vernünftiges Leben zugestanden wurde. Zum Beispiel könnte man auch irre alten, schweren Wein shoppen gehen. Oder Kaviar. Oder echte schwarze Trüffel. Das kostet alles ebenfalls ein Vermögen. Und es schmeckt wenigstens nach was.
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