piwik no script img

Archiv-Artikel

Punk im Geschäft

Da gibt es ja jetzt ein neues Magazin aus der Gruner + Jahr-Kantine, dem man in den spieltriebigen Randspuren durchaus ansieht, welchen Spaß sie beim Rumspinnen und Machen gehabt haben. Ein anders gehäkeltes Wirtschaftsblatt soll es wohl sein, bei dem man radikale FDP-Haltungen, Erfolgsgeilheit und dazu das kreative Prekariat, das sich seine Selbstausbeutung mit dem Trost, so wenigstens wild und gefährlich ein erfülltes Leben zu leben, in ein Boot geholt hat, in dem dann so Weicheiperspektiven wie Arbeitnehmerpositionen keinen Platz mehr haben. Dieses Boot ist voll. Was jetzt keine weitere Zeile wert wäre hier, wenn das Heft nicht wenigstens untergründig eigentlich lieber ein Musikmagazin sein wollte, dem Tonfall nach und in den thematischen Querbezügen. Ein Popmusikmagazin.

Also wird noch einmal die Geschichte der Sex Pistols in dem Heft erzählt, um damit auch irgendwie den etwas bemühten Brückenschlag zwischen einer musikalischen Praxis, Punk also, und den Ellenbogen der Wirtschaftsbosse zu schaffen, weil das Magazin ja Business Punk heißt. Für die, die hart austeilen können und auch den schönen Spaß einstecken in ihrem Leben. Aber irgendwie kommt es einem so vor, als hätte man sich mit dem Heft nur deswegen die ganze Arbeit gemacht, um einmal so eine tolle Überschrift wie „Sit Vicious“ auf einer Seite mit Bürostühlen platzieren zu können.

Das Porträt von Richard Branson, der als Coverboy und prototypischer Business Punk dem Käufer die Zunge rausstrecken muss, ist dagegen recht distanziert geraten, im Abklappern der Erfolge, die der Virgin-Herrscher mit seinen Fluglinien, Luxusressorts samt Inseln und Raumschiffen so angesammelt hat. Gerade hier aber ist der präzis musikalische Anteil knapp geraten. Dabei war der Grundstein von Bransons Karriere das Anfang der Siebziger gegründete Virgin-Label, das gleich mit „Tubular Bells“ von Mike Oldfield ein derartigen Megaerfolg landen konnte, dass Virgin anfangs gar nicht mit dem Plattenpressen nachkam. Und es war ja wirklich eine gute Adresse, Virgin, auf der prima Anti-Business-Punk-Musik erschienen ist. So eine Faust voll an Platten wie „Desperate Straights“ von Henry Cow, „Doc At The Radar Station“ von Captain Beefheart, „Ruth Is Stranger Than Richard“ von Robert Wyatt oder Kevin Coynes „Millionaires and Teddy Bears“ kann man auch nach dem Platzen der nächsten Businessblase noch hören.

Hört man aber genauer in die Seiten von Business Punk, klingt es verflixt nach Billy Idol mit seinem „Rebel Yell“. Auch so ein Mann, der gar nicht mehr Punk sein wollte und dafür lieber erfolgreich mit Tanzmusik. Man erinnert sich an seine blondierte Stachelfrisur. THOMAS MAUCH