: Der eiskalte Abschieber
Am 28. Juni griff das Einsatzkommando zu. Das Ziel der Polizisten: Eine fünfköpfige Familie aus Lotte im Kreis Steinfurt soll abgeschoben werden. Der Mann wurde von Beamten überwältigt, die Eheleute getrennt. Erst Wochen später konnte die suizidgefährdete Frau ihrer Familie nachfolgen – dabei hatte der Ehemann gedroht, seinen Kindern etwas anzutun. Für Innenminister Ingo Wolf (FDP) ging alles mit rechten Dingen zu. Die taz dokumentiert seine Reaktion auf eine Landtagsanfrage
„Im Vorfeld der Abschiebung hatte der Vater [...] massive Drohungen für den Fall einer Abschiebung ausgesprochen. Unter anderem hatte er erklärt, seine Wohnung „anzünden“ zu wollen. Außerdem hat er [...] Mitarbeitern [...] angekündigt, sie mit einem Messer attackieren zu wollen. Die Mutter war nach eigener Aussage massiv suizidgefährdet; auslandsbezogene Abschiebungshindernisse lagen nicht vor. Um einen Suizid während der Abschiebungsmaßnahme wirkungsvoll verhindern zu können, war ein schneller Zugriff erforderlich. Am Tag des Zugriffs brach die Mutter zusammen, nachdem ihr durch die Mitarbeiter der Ausländerbehörde eröffnet wurde, dass die Familie nunmehr abgeschoben werde. Der Vater begann sich massiv [...] zu wehren und musste von vier SEK-Beamten festgehalten werden. Die Mutter wurde kurzfristig in das Landeskrankenhaus eingeliefert, war jedoch nach Aussage der behandelnden Ärztin bereits eine Stunde später wieder in der Lage, liegend abgeschoben zu werden. Eine Liegendabschiebung konnte am selben Tag jedoch nicht mehr organisiert werden, da in dem Flugzeug keine entsprechenden Plätze mehr frei waren. Daher musste die Abschiebung für die Mutter zunächst storniert werden. Aufgrund der voraussichtlich nur kurzen Trennung der Familie wurde der Vater mit den Kindern abgeschoben. Die Handlungsweise der Ausländerbehörde verstößt nicht gegen Art. 6 Grundgesetz, da die Trennung [...] nur auf Zeit bestand und im Übrigen durch eine freiwillige Ausreise der gesamten Familie hätte gänzlich vermieden werden können.
Die Mutter wurde am 6.7.2005 aus dem Landeskrankenhaus entlassen und ist am 15.7.2005 in Begleitung einer Verwandten freiwillig in die Türkei ausgereist. Die Kosten der Ausreise hat die Ausländerbehörde übernommen. Für den Weiterflug von Istanbul nach Adana hat die Mutter zusätzlich ein Handgeld in Höhe von 50 EUR erhalten. Darüber hinaus hat sie von der Ausländerbehörde einen Drei-Monats-Vorrat des vom Krankenhaus empfohlenen Medikamentes zur Behandlung der psychischen Probleme erhalten.
Der Vater [hat damit] gedroht, [...] die eigenen Kinder als „Geiseln“ zu verwenden und die Behörden so zum Aufgeben zu bewegen. Daher wurden die Kinder zu deren Schutz während der Zugriffsmaßnahme und auch während des Transportes zum Flughafen von dem Vater getrennt gehalten. Nach Rückkehr in die Türkei gab es dann keinen Grund mehr, die Kinder von ihrem Vater getrennt zu halten, da dieser die Kinder hier nicht mehr als Druckmittel einsetzen konnte. Die Handlungsweise der Ausländerbehörde war ein geeignetes Mittel, die Abschiebung nicht scheitern zu lassen, anderseits aber einen effektiven Schutz der Kinder sicher zu stellen.“
[Aus: Innenminister Ingo Wolf, Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage von Monika Düker, Grüne, 17. August 2005]