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Für die AfD zu radikal

AfD-Bundesvorstand will Landeschefin loswerden

Der schleswig-holsteinische AfD-Landesvorstand hält treu zu seiner Vorsitzenden. Ungeachtet dessen, dass der Bundesvorstand der AfD am Montag beschlossen hat, gegen Doris von Sayn-Wittgenstein ein Parteiausschussverfahren einzuleiten. Der Grund: Die 64-Jährige unterhält Kontakte zu dem Verein „Gedenkstätte“, dem zeitweilig die Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck vorsaß und der vom niedersächsischen Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft wird.

Die Berliner Parteispitze will Sayn-Wittgenstein loswerden, „vor dem Hintergrund mutmaßlich strafrechtlich relevanter Vorgänge“ werde sie bis zur Entscheidung des Schiedsgerichts von allen Parteiämter ausgeschlossen, hieß es. Die Landtagsfraktion der AfD in Kiel um Chef Jörg Nobis hat Sayn-Wittgenstein bereits ausgeschlossen. Allein der Landesvorstand unterstützt ihren Rauswurf nicht. Sie selbst bezeichnet sich in einem Rundschreiben an die Landesvorstandsmitglieder als Opfer der Fraktionskollegen.

Am Dienstag legte die taz weitere Verbindungen Sayn-Wittgensteins zur rechten Szene offen. Von ihr versendete E-Mails offenbaren ihre Kontakte zu rechtsextremistischen Kulturvereinen, Freunden der Waffen-SS, Holocaust-Leugnern und Verfechtern einer Reichsideologie bis hin zum internationalen Rechtsextremismus. Knapp 80 gedruckte Seiten liegen der taz vor. Der CDU-Fraktionsvorsitzende in Kiel, Tobias Koch, fordert nun, der AfD-Landesvorstand müsse geschlossen zurücktreten. Sollten die Vorwürfe stimmen, schlüge das „dem Fass dem Boden“ aus, sagt Nobis.

Sayn-Wittgenstein versuchte die Vorhaltungen aus der eigenen Partei mit dem Hinweis zu entkräften, ihre Unterstützung für die „Gedächtnisstätte“ lägen zeitlich vor ihrem Engagement bei der AfD. Sie war im März 2016 in die Partei eingetreten. Stolpern könnte sie nun aber über die E-Mails, denn die offenbaren weit schwerwiegendere Verstrickungen. Im Februar 2017 etwa leitete sie eine Einladung der rechtsextremen „Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland“ weiter. Im Juli 2016 verbreitete sie eine Einladung zu den „Patriotischen Stammtischen“ eines NPD-Aktivisten in Baden-Württemberg. Eine Einladung des der Reichsidee nahestehenden Rainer „aus der Familie“ Rösl zu einem Treffen „für Freunde deutscher Souveränität“ schickte sie im Juni 2016 weiter. In den E-Mail-Anhängen findet sich auch eine Einladung der rechtsextremen Kulturvereinigung „Gesellschaft für freie Publizistik“ und ein „Infoblatt“ von der Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck.

Nach dem Bundesbeschluss muss jetzt das Landesschiedsgericht entscheiden. Wann das passieren wird, ist noch offen. Die Bewertung des E-Mail-Verkehrs könnte zum Gradmesser werden. Andreas Speit

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