: Experiment
Das Houselabel Circus Company feiert zehnjähriges Jubiläum. In der Zeit ihres Bestehens hat sich die Pariser Institution mit Alben von Künstlern wie Nôze oder Dave Aju einen Namen in experimenteller Clubmusik gemacht. Extra zum Anlass hat Circle Company nun den Produzenten exklusive Tracks für eine Doppel-CD abgenötigt. Wie ein Diptychon teilt sich das Material in zwei Fraktionen: Auf „Snuggle“ regiert die gut durchgeräucherte Jazzclub-Atmosphäre, die Instrumente klingen handgemacht und kommen meistens ohne geraden Beat aus. Dave Aju lässt sich für seinen Beitrag sogar von den Krautrock-Übervätern Can inspirieren und offeriert eine freie Hommage an ihren Klassiker „Vitamin C“. Mit „Slap“, der zweiten Hälfte, folgt eine ausgedehnte Exkursion in tiefste Deep-House-Regionen Pariser Art. Der Groove ist gebündelter, weniger ausschweifend, die Klänge elektronischer. Für Jazz bleibt jedoch auch auf dieser Party immer noch viel Raum. Und für seltsame Klänge erst recht. So viel Humor hat House nur selten.
■ Various Artists: „Snuggle & Slap“ (Circus Company)
Interpretation
Pépé Bradock stammt ebenfalls aus Paris. Auch der Produzent und DJ blickt auf die vergangenen zehn Schaffensjahre zurück und nimmt sie zum Anlass für eine Doppel-CD. Allerdings besteht seine Kollektion ausschließlich aus Remixen. Bradock ist ein Remixer größten Kalibers, auch wenn sein Name bisher nur Eingeweihten geläufig sein mag. Ganz gleich, was er mit den diversen Vorlagen anstellt – sei es das Hamburger DJ-Projekt International Pony oder die kapverdische Gesangslegende Cesária Évoria –, stets tragen die Ergebnisse Bradocks Handschrift und reichen vom perfekt austarierten Clubmonster bis zur vernebelten Schwerelosigkeitsübung. Bradock tut den Originalen keinerlei Gewalt an. Er macht aus großer Musik einfach neue große Musik. Nebenbei bemerkt: Das einzige Stück aus seiner Feder, „Cheval“ von Panash’, ist mit seinen charakteristisch klappernden Beats und atomisierten Streicherklängen einer der Höhepunkte der Compilation.
■ Pépé Bradock: „Confiote de Bits. A Remix Collection“ (BBE)
Mixtur
Der Name klingt französisch, Lusine kommt aber aus den USA. Streng genommen lässt sich die Musik von Jeff McIlwain auch gar nicht als House bezeichnen. Er vermischt auf seinem aktuellen Album beatgestützte Computerexperimente mit der Formensprache des Pop. Dazu kann man nicht immer tanzen, dafür gelingt es Lusine, aus kühl schimmernden Klangelementen abstrakte Songs zu bauen, in denen sich synthetische Starrheit mit federnder Leichtigkeit mischt. McIlwain ist begnadeter Filigranarbeiter mit Gespür für luftige und doch funkige Konstruktionen. Bei zwei Songs arbeitet er mit der Sängerin Vilja Larjosto zusammen. „Two Dots“ ist eine zarte Etüde über die Vermischung von Sprache und Elektronik, in der Lusines Talent für Melodien und Form besonders zur Geltung kommt. Bei „Every Disguise“ pumpt eine trockene Bassdrum in stark reduzierter Klangarchitektur, von Lusine mit ruhiger Hand zum Leuchten gebracht.
■ Lusine: „A Certain Distance“ (Ghostly International)